Geld und Zeit, oder: Das Maß aller Dinge

von | 28.04.2017 | 0 Kommentare

Ich mache mir gerade ein paar Gedanken. Und diese Gedanken will ich in einem Teetext festhalten. Und zwar ohne Pointe, ohne Aussage. Ohne irgendwas, was die Gedanken rechtfertigen oder begründen muss.

Meiner aktuellen Stimmung geschuldet ist mir Geld sehr wichtig. Denn ich habe keins. Wer kein Geld hat, möchte welches haben. Und das nicht aus diesen standardisierten “Was du nicht kriegen kannst, musst du haben”-Wisch, sondern aus der nackten, kalten Notwendigkeit.

In wenigen Tagen wird bei Patreon wieder Geld ausgeschüttet und ich kann meine Fahrt nach Frankfurt am Main finanzieren. Auch wenn es dort immer mal schwankt und im großen Tenor weniger statt mehr wird, habe ich damit einen kleinen Puffer. Und ich nutze jeden Cent so, dass er mir auf meiner Reise zu mir selbst weiterhilft.

Das Leben als digitaler Nomade ist, wie ich momentan glaube, den Reichen vorbehalten. Es ist wirklich schwer, ohne Finanzen vom Fleck zu kommen. Und versucht man es wirklich komplett ohne, wird es obendrein auch noch riskant.

Was mir aufgefallen ist: Ich habe Zeit.

Ich habe mich von allem losgelöst und bin losgereist. Weil es das Richtige war. Und das bedeutet, dass ich lernen muss, ganz viel Zeit mit mir selbst zu verbringen. Mich selbst finden kann ich nur, wenn ich mich selbst kennenlernen möchte und mir selbst die Chance gebe.

Ein Bekannter aus Hannover verabschiedete mich mit “Grüß dein Ich von mir, wenn du es gefunden hast!”. Irgendwie süß.

Aber ich wollte über etwas anderes schreiben. Ich habe Zeit und brauche Geld. Irgendwie halte ich mich über Wasser. Doof bin ich ja nicht und als Journalistin noch immer für das ein oder andere Online-Magazin tätig. Meine Bücher verkaufen sich auch mehr als null, wenn auch nur im einstelligen Bereich.

Als ich noch in Ausbildung war, hatte ich jeden Monat eine Summe x. Diese Summe x wurde mir von meinem Chef überwiesen und dann mehr oder minder gerecht aufgeteilt. Ich halte nichts davon, ständig über Geld zu schweigen.

Ich habe also in meiner Ausbildung 40 Stunden in der Woche gearbeitet und hatte 559 Euro netto im zweiten Lehrjahr. Davon bekam der Vermieter 440 Euro. Strom und Fitness-Studio nahmen sich gemeinsam etwas weniger als 80 Euro für sich, 1&1 zog mir fürs Internet noch 29,99 ab und dann hatte ich noch 10 Euro, die ich mir für Heizkosten zur Seite gelegt habe.

Das Geld, wovon ich wirklich lebte, war das Kindergeld. Mehr brauchte ich auch nicht. Von 190 Euro im Monat kann man prima leben, wenn Wohnung, Internet und Fitness geklärt waren. Klar, davon ging dann noch ein Fuffi für die Fahrkarte weg, aber auch von 140 lässt es sich prima leben. Mit einem Nebenjob.

Der Clue war: Ich hatte keine Zeit. Keine einzige Sekunde hatte ich Zeit dazu, um mir zu wünschen, in eben dieser Sekunde im Kino zu sein. Oder im Schwimmbad. Es gab keine Zeit, die ich mit Aktivitäten füllen konnte, die mir Geld brachten.

Und so kam es dazu, dass ich nach meiner Kündigungskatastrophe in einem Vorstellungsgespräch saß und die mich fragten, ob ich nach den neuen Sätzen bezahlt werden wollte.

Die neuen Sätze sind von der Steuerberaterkammer Niedersachsen vorgeschlagen worden und beinhalten eine Erhöhung der Vergütung um 300 Euro. So verdiente ein Azubi im ersten Lehrjahr (850 Euro) im Jahr 2016 mehr als ein Azubi, der zur selben Zeit im dritten Lehrjahr (750 Euro) war. Ich hätte im zweiten Lehrjahr dann plötzlich statt 700 Euro brutto mal eben so 950 Euro bekommen. Aber es war mir wumpe. Wozu braucht man Geld, wenn man jeden Tag in ein Gefängnis geht, in dem man Arbeit für andere erledigen muss, die mich selbst nicht weiterbringt?

Wozu sollte ich mich irgendwo aufhalten, wo man mir auf die Frage “Ich bin fertig mit meinem Aufgaben, haben Sie noch was anderes?” mit “nein” antwortet und erwartet, dass ich die restliche Zeit stillschweigend, die Wand anstarrend absitze?

Klar, ich habe mich mit anderem beschäftigt. Habe Klausurenzusammenfassungen geschrieben und mich auf die Berufsschule vorbereitet – und wurde u.a. deshalb gekündigt. Das ist aber ein anderes Thema.

Was ich gerade nur in den Raum schmeißen will, ist, dass mich jetzt diese dreihundert Euro interessieren. Weil ich weiß, wie es ist, sie auszukosten. Ich würde damit ein paar Stationen weiter reisen, länger in Frankfurt bleiben, vielleicht endlich mal ein Flugzeug betreten. Schwimmen, Kino, Massage, irgendwas. Ich würde Dinge tun, die mein Leben wertvoll machen.

Als ich noch Geld hatte – gut, das war bei meinen Azubiverhältnissen schon eher relativ zu betrachten –, konnte ich es nicht nutzen.

Jetzt kann ich es nutzen und habe keins. Das ist kein Jammern, ich komme ja an welches. Es macht sogar wirklich großen Spaß, unterwegs zu sein und das reine Überleben und Weiterkommen als Motivation zu nehmen, um Geld zu verdienen. Ich kümmere mich nicht um Rente oder sowas, sondern lebe von der Hand in den Mund. Jede Leistung hat eine direkte Gegenleistung. Das ist faszinierend!

Es ist keine Zahl auf dem Konto, die sich halt irgendwie erhöht oder weniger wird, bei der das eigentlich egal ist, weil die Zahl ein Mal im Monat eh um die Summe x erhöht wird und ich dann wieder dreißig Tage Puffer habe. Nein.

Es geht um Leistung.

Ich schreibe diesen Artikel für Steuerazubi und komme dadurch eine Nacht im Hostel unter. Oder fahre gemeinsam mit coolen Leuten nach Frankfurt.

Ich weiß plötzlich, wofür ich arbeite und das ist fantastisch.

Ich liebe es nicht, arm zu sein. Ich wäre gerne reich und könnte mir viel mehr leisten auf meinen Reisen. Aber ich liebe es, Geld wertzuschätzen und über meine Zeit; mein Leben; selbst entschieden zu können.

Alles Liebe,

Kia



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