Kann man gemeinsam den Buchmarkt schädigen?

von | 23.03.2018 | 2 Kommentare

Ruprecht Frieling hat Sylvia Filz und Sigrid Konopatzki interviewt und die Frage „Kann man gemeinsam schreiben?“ als Titel des Interviews gewählt. Die Veranstaltung fand am Messesonntag, den 18.03.2018 statt und ich möchte hier nicht nur widergeben, was die Damen auf Ruprechts Fragen geantwortet haben, sondern auch meine eigene Kritik anfügen.

Mit meinem Co-Autor Florian Eckardt schreibe ich an einer Utopie (die er als Dystopie bezeichnen würde), und so besuchten wir diese Veranstaltung gemeinsam. Das gemeinsame Schreiben ist ein interessanter Vorgang, ein Mit- und ein Gegeneinander und wir haben uns auf Anregungen gefreut, die sich mit unseren Problemen auseinandersetzen. Streitigkeiten kommen bei uns nämlich nicht nur bei Plotfragen auf, sondern auch beim Aufteilen unterschiedlicher Arbeitsbereiche wie der Exposé-Erstellung. Immerhin arbeitet man als Co-Autor – wie gewohnt – kostenlos und hofft auf gemeinsamen Erfolg.

Seit über zehn Jahren schreiben Filz und Konopatzki zusammen. Ihr Metier sind Liebesromane mit Happy End, aber auch Krimis entspringen ihren Federn. Dabei geht es aber nie blutig zu, und insgesamt sind die Romane dazu da, als leichte Unterhaltung „weggelesen“ zu werden. Mit einem Kontingent von 24 Büchern, die die Damen in zehn Jahren geschrieben haben, gehören sie inzwischen zu den Bestseller-Autoren bei Amazon. Sie veröffentlichen exklusiv beim US-amerikanischen Unternehmen und landen regelmäßig in der Top 100 der Gesamtliste. Mit einem Platz 8 und einem Platz 26 arbeiten beide hauptberuflich als Schriftstellerinnen – von 500 Verkäufen am Tag kann man schließlich gut leben.

Die Damen organisieren das gemeinsame Schreiben über Facebook und WhatsApp, treffen sich aber auch regelmäßig im echten Leben. Die Ideenfindung geschieht unter anderem beim Essen. Die beiden Autorinnen erzählen eine nette Anekdote über sockenfressende Waschmaschinen und ihre Veröffentlichung „Ohne ein Eis sage ich nichts“*. Zum Schreiben selbst berichten Sylvia Filz und Sigrid Konopatzki, dass sie ihre Romane als Weiterschreibgeschichte verfassen. Eine fängt an und schreibt so viel sie will, gibt das Manuskript an die andere weiter und diese führt die Geschichte fort. Plotten halten sie nicht für nötig – ein grober roter Faden reiche aus. Beim Schreiben hat jede eine eigene Farbe. Überarbeitetes wird in eine schwarze Schriftfarbe umgewandelt. So halten die Schriftstellerinnen ihre Textordnung im laufenden Manuskript.

*2010 erschien „Ohne (m)ein Eis sage ich nichts!“, 2015 erschien „Ohne ein Eis sage ich nichts“. Es war nicht klar herauszuhören, welchen Titel die Damen genannt haben.

Kia kommentiert:
Die Idee mit den unterschiedlichen Farben finde ich hervorragend. Als wir an dieser Stelle des Interviews angekommen sind, hatte ich große Erwartungen. Natürlich haben die Damen viel von sich erzählt, schließlich sollte die Veranstaltung auch werbend für ihre Bücher wirken. Für meinen Geschmack haben sie etwas zu viel aus dem Privatleben erzählt; was ich an dieser Stelle vorsorglich erwähne, da ich im Folgenden noch einmal darauf eingehen werden muss. Als ungeplottete Weiterschreibgeschichte eignen sich Groschenromane und Liebesromane mit vorgeschriebenem Happy End natürlich hervorragend. Im Prinzip verläuft jede Geschichte gleich. Nur die Personen und das Setting unterscheiden sich. Auf diese Weise kann man selbstverständlich eine Weiterschreibgeschichte abarbeiten, aber so, wie die Damen es erzählen, klingt das nach schnödem Handwerk und nicht nach kreativer Arbeit mit literarischem Niveau.
Eine Anmerkung habe ich noch an dieser Stelle: Die beiden Autorinnen sagen, sie würden nacheinander schreiben. Während die eine schreibt, habe die andere „ein Privatleben“. Mit Seitenzahlen zwischen 200 und 300 Seiten kann ich mir vorstellen, wie wenig Arbeit wirklich in einem Buch steckt, wenn 2,4 solcher Bücher pro Jahr erscheinen und die Autorinnen keinen Bedarf haben, das Buch vorher gemeinsam zu planen oder sich Gedanken über Figuren, Prämisse oder tiefere Aussage zu machen.

Hanna zieht zu ihrem Nils aufs Land. Eine große Hochzeit wird gefeiert, und sie bekommt ein außergewöhnliches Geschenk. Aber das neue Landleben im Norden Deutschlands kann durchaus tricky sein … Den Schuhverkäuferinnen Paulina und Maren wird kurz und schmerzlos wegen Geschäftsaufgabe gekündigt. Marens Freund Frank schlägt daher vor, den angestaubten Laden einfach zu übernehmen… Beatrix Gräfin von Schlomberg, noch keine dreißig, wird nach kurzer Ehe geschieden. Ihr Mann hat sie um viel Geld betrogen. Lars Ranstedt, ein Richter, verliebt sich in Beatrix, hat aber schlechte Karten, da sie momentan auf diesen Berufsstand gar nicht gut zu sprechen ist…

Sylvia Filz und Sigrid Konopatzki betonen während des Interviews immer wieder, wie oft sie sich einig sind. Alles scheint leicht und einfach, sie haben keine Konflikte. In 90 % der Fälle würden sie übereinstimmen, Tipps zur Konfliktlösung im Autoren-Duo geben sie keine.

Statt sich an der Leitfrage „Können Autoren gemeinsam schreiben?“ zu orientieren, erzählen die Damen äußerst ausführlich, dass sie im Jahr mindestens 30 Lesungen veranstalten. Lesungen in Seniorenheimen veranstalten sie kostenlos, statt ihre Bücher zu verkaufen, verschenken sie sie, und auch wenn jemand Jüngeres zu ihnen kommt und sie um ein kostenloses Buch bittet, verschenken sie fleißig Exemplare.

Zu den Lesungen werden die Autorinnen samt zu verschenkender Bücher von ihren Ehemännern gefahren.

Kia kommentiert:
Es ist sehr schön zu hören, dass es ein Autorinnen-Duo gibt, das vom Schreiben leben kann. Aber das es sich mit oberflächlich geschriebenen, in Masse produzierten Groschenromanen die Taschen vollmacht, tut ein bisschen in meiner Schriftstellerseele weh. Ein E-Book kostet etwa 2,99 €, bei Amazon bleiben davon 1,71 € übrig. Pro Person sind das 0,85 € pro Person pro Buch. Bei 500 Verkäufen am Tag ergibt das ein Einkommen von etwa 23.940,00 € pro Monat, wenn der Monat nur 28 Tage hat. Da bleibt auch bei Künstlersozialversicherung, fair bezahltem Lektorat, Covergestaltung und Steuern genug übrig, um es sich mehr als gut gehen zu lassen. Natürlich kann man dann 30 ehrenamtliche Lesungen veranstalten und sämtliche Printexemplare verschenken.
Doch genau solche Leute machen den Markt kaputt! Nicht nur, dass sie ausschließlich bei Amazon veröffentlichen, was ich persönlich als unverantwortlich und schlicht und ergreifend marktschädigend erachte, sondern dass sie derart viele Bücher verschenken – das hebt die Erwartungen der Leser an kostenlose Exemplare, senkt die Wertschätzung der Arbeit der Autoren und trägt zur Verwahrlosung der Buchbranche bei. Während dieses Interviews war ich mehr als einmal pikiert, und glaub mir – es kommt noch schlimmer. Viel Spaß beim Weiterlesen!

Um Leser bei Laune zu halten, veröffentlichen die Autorinnen regelmäßig neue Bücher. Sie betonen im Interview, dass die Verkaufszahlen alter Bücher erhöht werden, wenn regelmäßig neue Bücher erscheinen. Um ihre Leser vollkommen zufrieden zu stellen, verzichten sie auf Worte, die die Gefühle der Leser verletzten könnten. Eine der Damen erzählt beispielhaft von einer Textstelle, an der eine wütende Figur ihres Romans „Du Stinkstiefel!“ ausruft. Um ihre Leser und Leserinnen bloß nicht zu verletzen, würde „Stinkstiefel“ mit „nicht sympathische Person“ oder ähnlichem ausgetauscht.

Darüber hinaus arbeiten sie mit Testlesern. Sie empfehlen dem Publikum, sich nur mit Testlesern zu befassen, wenn man „wirklich offen für Kritik“ ist und damit umgehen kann.

Kia kommentiert:
Es tut mir leid. Ich halte an dieser Stelle das Interview kaum aus. Es fühlt sich an wie ein redundanter Kaffeeklatsch unter Rentnern, die sich selbst darstellen, als würden sie Protagonisten ihrer eigenen Bücher sein. Alles ist glatt gebügelt, lieb und nett, die Damen sind erfolgreich und können sich über kaum etwas beklagen. Darüber hinaus machen sie sich keine Gedanken darüber, wie sehr sie die Branche schädigen und wollen dann vor der harschen Kritik der Testleser warnen? Ich habe das Gefühl, dass man diesen beiden Damen keinesfalls negative Kritik geben darf und bezweifle, dass sie wirklich offen für Kritik sind. Sollten sie diesen Artikel lesen, werde ich hoffentlich eines Besseren belehrt. Ich hätte an dieser Stelle gerne gewusst, ob die Leitfrage des Interviews, nämlich ob man gemeinsam schreiben kann, wieder aufgegriffen wird. Offensichtlich können Konopatzki und Filz nicht nur gemeinsam Bücher schreiben – sondern damit auch lukrative Produkte auf den Markt werfen.

Das Interview neigt sich dem Ende entgegen und die beiden Damen erzählen noch mehr aus dem Privatleben. Es geht um Ehemänner, Lesungen im Kreise der Nachbarn, die regionale Presse und deren Berichte über die Autorinnen und um die Törtchen, die sie für das Buffet bei der Wohnzimmerlesung gebacken haben.

Ruprecht Frieling gibt den Hinweis, dass sämtliche Bücher vom Stand des Selfpublisher Verbandes verschenkt werden und beendet das Interview. Ich verzichte auf einen abschließenden Kommentar.

Alles Liebe,

Kia



2 Kommentare

  1. Ina Degenaar

    Ich kann Deine Beklemmungen sehr gut nachvollziehen. Aber die beiden repräsentieren nur die eine Seite der Medaille: Auf der anderen sind die Leute, die offenbar Wert auf leichte Leseware legen, die so beliebig ist wie fast alles, was täglich gekauft wird – vom T-Shirt bis zum Toilettenpapier. Man kann sich allerdings fragen, warum Frieling ausgerechnet ihnen eine Bühne bietet.

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