Für seine Emotionen in den Kampf ziehen

von | 04.05.2017 | 2 Kommentare

Ich interviewe Julia von Rein-Hrubesch im Rahmen der Aktion #Autorinnenzeit zu ihrem Entwicklungsroman, die Relevanz des Geschlechts von Protagonisten und erhalte interessante Einblicke in Julias Gedanken zum Genre Entwicklungsroman sowie weiblichen Autorinnen.

Julia von Rein-Hrubesch im Interview #Autorinnenzeit

 

Hallo Julia! Ich freue mich heute ganz besonders, dich hier zu haben, denn du bist nicht nur Autorin von Fantasy und ein Vereinsmitglied der BartBroAuthors, sondern hast du mit “das Flüstern der Pappeln” einen Entwicklungsroman geschrieben! Erzähl mal, worum geht es?

Hallo Kia! Ich freue ich mich auch ganz besonders und möchte mich bedanken, dass Du an mich gedacht hast in Deiner Interviewreihe.

Das Flüstern der Pappeln ist mein bisher persönlichster Roman. Viele Dinge, die ich mir für mein Schreiben gewünscht habe, konnte ich in diesem Werk umsetzen, und das macht mich glücklich. Auch, wenn es nicht einfach war. Ich wünsche mir Mut, Geschichten zu erzählen. Denn das macht sie zu mutigen Geschichten. Das zu erreichen, hat sehr lange gedauert.

Das klingt toll. Mir geht es auch so mit meinen Entwicklungsromanen. Kannst du die Geschichte kurz pitchen?

Es geht um die Mittzwanzigerin Hennie, die nach dem sucht, was wir alle suchen. Oder suchen sollten. Dem tieferen Sinn. Es geht um das Künsterdasein und dem eigenen Platz in der Welt. Und es geht um die Liebe. Hach … Was für ein Thema!

Wie würde sich dein Buch verändern, wenn Hennie ein Hendrik wäre?

Oh. Wie viel Zeit habe ich denn, um darüber nachzudenken?

Spontan würde ich sagen, gar nicht. Doch vermutlich stimmt das nicht. Die Geschichte dreht sich nämlich auch um einen Elternkonflikt, und wenn sich die Faktoren ändern würden, würde es sicher auch die Geschichte. Doch nur im Detail, nehme ich an. Nicht grundlegend.

Das klingt, als sei das Geschlecht des Protagonisten im Wesentlichen nicht wichtig. Du hast Hennie bestimmt aus Intuition erschaffen oder weil sie einfach plötzlich in deinem Autorinnenkopf da war. Welche Bücher kennst du, in denen starke weibliche Charaktere vorkommen? Da interessieren mich tatsächlich hauptsächlich Entwicklungsromane, aber du kannst ganz frei antworten.

Tatsächlich würde mir zuerst Stephen King einfallen. Dolores. Das Mädchen. Starke Frauen, die mit Dämonen kämpfen. Zwar im Genre Horror, aber das tut nichts zur Sache, wie ich finde. Wenn man ein Buch liest, bringt man immer sein eigenes Päckchen mit. Und das, was ich in den Protagonisten sehe, wünsche ich mir für mich selbst. Das macht Heldinnen für mich aus. Mut zum Kämpfen ist hier genauso groß wie Mut zur Emotion. Wer zu seinen Emotionen steht, ist für mich genauso Held wie jemand, der in den Kampf zieht. Oh, für seine Emotionen in den Kampf ziehen, das gefällt mir! Schreiben wir drüber?

Ich bin eben aufgestanden und habe mein Bücherregal betrachtet. Ich habe keine Werke hier, in denen es um Frauen geht, die nicht zu diesen Gedanken passen.

Wer natürlich bei den Emotionskämpferin an erster Stelle steht, ist Catherine von der Sturmhöhe.

Für seine Emotionen in den Kampf ziehen… Das bringt mich auf Ideen! Gerade für uns Entwicklungsromanautorinnen ist genau das ein oder sogar das zentrale Thema, das auch die Stärke der Protagonisten und Protagonistinnen ausmacht.

Welches Buch mit einer weiblichen Protagonistin, die für ihre Emotionen in den Kampf zieht, hast du zuletzt gelesen?

Da ich dieses Buch aber immer mal wieder lese, passt die Antwort auch darauf. Sturmhöhe von Emily Brontë.

In Sturmhöhe entschließt sich die Protagonistin Catherine zunächst gegen ihre Emotionen und lässt einen gekränkten Liebenden zurück, der dem Alkohol und der Spielsucht verfällt. Ist das ein typisches Setting, das Autorinnen in Entwicklungsromanen erschaffen? Ist es eine Frauendomäne, Protagonisten mit sich im Unreinen sein zu lassen und darauf die Entwicklung, die für das namensgebende Genre typisch ist, aufzubauen?

Ich finde eher die Ausgangssituation typisch. Es beginnt mit einem Rumpeln. Irgendetwas muss passieren, damit die Geschichte beginnen kann. Interessantes Diskussionsthema, bei allen Autoren beliebt.

Nein, es ist keine Frauendomäne. Ich habe genauso viele Geschichten gelesen von männlichen Autoren.

Ich muss aber dazusagen, dass ich um Romane von großen Verlagen, die mit Worten wie Frauen oder Entwicklung beworben werden, einen Bogen mache.

Ich finde, eine Entwicklung geschieht parallel. Sie ist gut verwoben ins Hauptgeschehen. Ich kennzeichne meine Entwicklung mit dem, was ich tue; ich gehe ja nicht durch die Welt und rufe: Ich entwickle mich jetzt! Wenn man solch offensichtliche Worte dazu benutzt, stößt mich das ab. Ich habe zwei oder drei solcher Bücher gelesen. Ich mochte sie nicht.

Kia, ich mag Deine Fragen.

Danke!

Und ich mag es nicht, wenn die Frau als devotes Ding dargestellt wird, welches jetzt auf Biegen und Brechen eine Entwicklung durchlaufen soll. Ich mag es genauso wenig, wenn es ein Mann ist.

Da stimme ich dir total zu! Ich bin es auch leid, zu sehen, dass Frauen sich irgendwie einfach entwickeln müssen oder sollen, um zu einem Einheitsbrei der perfekten Frau – idealerweise natürlich die Powerfrau schlechthin, die alle Lebensbereiche perfekt managed – zu werden. Ich mag die individuellen Geschichten, in denen ungewöhnliche Wege gegangen werden und starke Entscheidungen und Entwicklungen erfolgen, die auf die Protagonisten passen.

Die besten Entwicklungsromane, sie ich gelesen habe, stammen aus der Feder von Männern. Menno. Obwohl, ich zähle meine Pappeln auch dazu.

Tja, dann ist es Zeit, dass wir beiden Entwicklungsautorinnen etwas daran ändern!

Machen wir grad, oder? 😉

Exakt. *lacht* Das ist unser Job. So gewissermaßen.

Wenn wir schon bei weiblichen Autorinnen sind, lass uns das Gedächtnis der Leser auffrischen. Joanne K. Rowling (Harry Potter), Cornelia Funke (Tintenherz), Suzanne Collins (Tribute von Panem), Stephenie Meyer (Biss-Reihe, Twilight) und Kerstin Gier (Rubinrot etc.) – alle sind erfolgreiche Autorinnen von Fantasy. Welche Autorinnen von Entwicklungsromanen kennst du?

Die, die ich kenne, sind noch nicht veröffentlicht. Ich wünschte, ich könnte etwas anderes sagen. Das heißt, wenn es expilzit um den Entwicklungsroman geht, so wie wir ihn benannt haben. Wenn wir dieses Rahmen ein bisschen ausweiten, nenne ich hier Natalia Ginzburg, Mercé Rodoreda und Jocelyne Saucier.

Meinst du, es wird weitere Frauen geben, die wie die oben genannten Erfolg und Bekanntheitsgrad haben werden?

Nicht, wenn sie ausschließlich Entwicklungsromane schreiben.

Liegt das am Genre allgemein, das offenbar eher schmal auf dem Markt vertreten ist?

Es liegt an der Nachfrage.

Der Markt liefert ja nur das, was der Konsument will. Und das sind andere Genres.

Das finde ich schade, doch ich kann es nicht ändern. Ich freue mich über jeden Leser, und ganz besonders über die, die ich mit meiner Geschichte berühre. Das geschieht, und das macht mich total glücklich. Also denke ich mal nicht an den Markt 😉

Überhaupt ist das ein Thema für sich.

Kann ich leider aus Erfahrung so unterschreiben. Hast du ein Fazit für unsere Leser?

Ja! Leser, wollt mehr! Leser müssen immer fordernd sein! Und traut euch mehr an die kleinen Verlage heran. Traut euch mehr an die Selfpublisher ran!

Das ist mal eine Aussage! Und damit sind wir am Ende dieses Interviews angelangt. Ich bedanke mich sehr herzlich für dieses erste, tolle Interview zur Autorinnenzeit. Du hast die Messlatte sehr hoch gelegt, was interessante und qualitative Antworten angeht, aber ich bin mir sicher, dass die folgenden Interviews allesamt inspirierend und sehr differenziert werden. Vielen lieben Dank, dass du dir die Zeit und Mühe gemacht hast, meinen Fragen standzuhalten!

juliainnathen

Foto: Sonja Sechi-Dotzer

Julia von Rein-Hrubesch ist Ergotherapeutin, Bloggerin und hauptherzlich Autorin von Fantasy und einem Entwicklungsroman.

Das Flüstern der Pappeln kannst du für 5,99 € als Taschenbuch erwerben.

Blog: juliaschreibtblog
Twitter: @JuliaInNathen

Als nächstes werde ich die Fantasy-Autorin Wiebke Tillenburg zur Autorinnenzeit befragen. Seid gespannt!

Alles Liebe,

Kia



2 Kommentare

  1. Lars

    Hi Kia, schönes Interview! Allerdings habe ich eine Anmerkung dazu: Harry Potter zählt im Kern auch zu den Entwicklungsromanen, jedenfalls meiner Meinung nach. Soviel zum Thema Nachfrage und Markt 🙂

    Viele Grüße Lars

    Antworten
    • Kia Kahawa

      Hi Lars, danke für deinen Kommentar. An sich hast du natürlich recht, dass Harry Potter schon ein Entwicklungsroman ist und Fantasy das Setting ausmacht. Das überwiegt aber so sehr, dass man es als Fantasy abtut, so wie es mir hier passiert ist 😉
      Grüzie
      Kia

      Antworten

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