Die Wiederholung. Die Wiederholung.

von | 17.03.2017 | 0 Kommentare

In Form von Verbfaulheit kann eine Wiederholung schnell einen sonst ausgesprochen guten Text zu etwas fadem machen. Wie auf einem ausgelutschten Kaugummi kaut man schnell auf sagen, fragen, machen und gehen herum und verliert die Lust am Lesen.

Auch störend: Immer die gleichen Pronomen nutzen. Immer den Protagonisten beim Namen nennen. Immer wieder den Satz mit dem gleichen Wort beginnen.

Als Schriftsteller hat man häufig Probleme mit Wiederholungen. Nerv.

Warum das so ist, habe ich im Rahmen einer tiefgreifenden Studie zum Thema Gewohnheiten im Jahre 2014 gelernt. Die Erkenntnisse daraus sind einfach wie auch einleuchtend: Das Gehirn darf sich nicht langweilen. Niemals. Also braucht es etwas zu tun. Und wenn der Raucher spazieren geht, gefällt ihm dies mit einer Kippe besser, weil die Hände beschäftigt sind. Oder weil der Wunsch nach Zerstreuung oder Bewegung durch die Zigarette belohnt wird. An sich sind wir Wesen, deren Verhalten nur durch Feedback trainiert werden kann. Hier werden mir diverse Rauchentwöhnungs-Profis und selbsternannte Coaches widersprechen, die behaupten, Rauchen sei eine Sucht und habe nichts mit Gewohnheit zu tun – alles Schwachsinn, wenn ihr mich fragt.

Jedenfalls – worauf wollte ich eigentlich hinaus? Ach ja, genau: Das Gehirn will sich nicht langweilen. Deshalb schweift es übrigens auch gerne ab, wenn es glaubt, etwas bereits Bekanntes zu sich nehmen zu müssen. Oder wenn die Vortragsweise eines Lehrers, der Freundin oder der belehrenden Eltern auf irgendeine Weise langweilig erscheinen, schaltet das Gehirn gerne ab.

Gestern Abend sah ich den Film “Alles steht Kopf”. Ein grandioses Werk! Die Emotionen, die von kleinen Männchen im Gehirn verkörpert werden, sammeln Erinnerungen. Die Erinnerungen sind im Idealfall kleine, goldene (also: glückliche) Kugeln. Daher ist auch Freude die befehlshabende Emotion, weil Freude erstrebenswert ist. Nicht Wut, Ekel, Angst oder gar Kummer. Träume werden dargestellt wie auf einer großen Leinwand. Die Augen sind zu und eine Arbeitsgruppe am weit entfernten Filmsetz verarbeitet die kugelförmigen Erinnerungen zu Träumen, die im Fall des Films sehr wild und chaotisch sind. Aber diese Leinwand ist ein unheimlich schöner Weg, das Gehirn ein Stück näher zu erklären.

Wenn uns langweilig ist, brauchen wir einen Film. Wiederholungen können wir nicht gebrauchen – der Clue: Es sei denn, es ist ein Film – und verfallen so in Tagträume oder lassen uns ablenken. Tun wir das nicht, ist das Gehirn unglaublich damit überfordert, mit seiner Unterforderung zurechtzukommen. Und schwupps: Wir haben eine Wiederholung in der Wiederholung.

“Wiederholt spricht meine Mutter irgendwas von Pfandflaschen und Ordnung im Zimmer. Wiederholt muss ich so tun, als würde ich ihr zuhören, wobei ich schon genau weiß, was sie sagen will und was ich antworten muss, damit ich gleich meine Ruhe habe.”

“Wie immer motzt die Freundin darüber, dass ich nicht ans Handy gegangen bin und macht mir Vorwürfe daraus, dass irgendwas hätte passieren können und ich das dann nicht gehört hätte. Ich werde jetzt wieder einen Streit provozieren. Ach, hör auf zu reden, ich antworte dir gleich und dann wird es erst spannend! Es sei denn, du lernst nie draus…”

So oder so ähnlich könnte unsere Gehirn denken, wenn es denn abseits des Ichs denken würde. Ich finde das gesamte Thema enorm spannend. Wann sich unser Hirn womit beschäftigt, was es fordert und warum es was mag und nicht mag.

Ich glaube, ich könnte gleich einen zweiten Tee trinken und einen Teetext mit Gedankenanstößen zum Muster-Erkennen-Wollen des Gehirns schreiben. Denn: Wiederholungen sind etwas Gutes, wenn sie Muster enthalten. Das Gehirn liebt Muster, daher hören wir auch so gerne Musik. Und daher ist Popmusik übrigens auch gleich Popmusik.

Um trotz der Gedanken-Anstoß-Charakteristik eines Teetextes noch kurz auf die Schriftstellerei zurückzukommen, möchte ich noch einen kurzen Bezug zu Wiederholungen im Text ziehen:

Das Gehirn sucht sich in Musik Muster und freut sich über die Wiederholung (z.B. bei einem besonders einprägsamen Refrain).

In Texten sind Wiederholungen wie immergleiche Satzanfänge nervenaufreibend, energieraubend und schlauchend. Der Grund dafür ist ein ganz Einfacher: Es liegt an den Augen. Während wir Musik hören, sehen wir etwas ganz Spannendes: Musiker auf der Bühne, einen Film oder das echte Leben; ganz je nach dem, wie die Musik konsumiert wird.

Wenn wir lesen, lesen wir nur schwarz und weiß. Meinetwegen druckt eure Texte bunt, an mir soll’s nicht liegen. Aber für das Gehirn ist lesen deutlich anstrengender im Bezug auf das, was ich über Langeweile und der Forderung des Unterfordertseins geschrieben habe. Es ist immer schwarz und weiß. Das Gehirn hat locker drei oder vier Millionen Mal den Buchstaben “a” gelesen. Mindestens!

Wer lesen kann, ist hier klar im Nachteil: Du nimmst Schrift als das wahr, was sie ist. Und das ist der Grund, warum Wiederholungen hier keine aufregende Muster-Sucherei sind, sondern ein auslaugendes Unterfordern.

Jetzt ist mein Tee wirklich leer.

Alles Liebe,

Kia



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