Texte löschen kann ich nicht.

von | 02.06.2017 | 0 Kommentare

Ich habe etwas gelernt. Und damit lüge ich in meiner Überschrift dieses Teetextes: Ich kann Texte löschen! Das ist zwar eine neue Errungenschaft, aber ich habe gelernt, wie es geht und freue mich enorm darüber. Oder auch nicht?

Eigentlich hatte ich vor, diese Woche bei den Teetexten einen kleinen Beitrag darüber schreiben, warum ich Rezensionen mit vier Sternen besser finde als solche mit fünf. Und das, was ich geschrieben habe, stand genau hier in diesem Fenster, in das ich gerade diesen Text einhacke.

Der Teetext war fast schon fertig (der Tee übrigens auch, ich bin gerade am zweiten dran). Und ich war nicht zufrieden. Ich habe Standard-Zeug geschrieben mit Menschen nicht über einen Kamm scheren und durch Kritikpunkte herausfinden, was man wirklich will.

So etwas wie Minimalismus hatte zuvor bei mir nicht existiert. Alles musste aufgehoben werden.

Ich war ein wahrer Daten-Messie. Man könnte doch noch irgendwas irgendwie gebrauchen. Also speicherte ich bis einschließlich heute morgen jeden Schrott ab, der mir durch die Tastatur geflutscht ist. Egal, wie schlecht es ist.

Bei Teetexten ist das eigentlich nicht schlimm. Das Projekt befasst sich ohnehin damit, einen Text von vorne bis hinten zu schreiben und anschließend einmalig durchzulesen und dann zu veröffentlichen. Teetexte sollen offene Enden haben, nur etwas anreißen und keinen roten Faden haben. Aber gerade dieser Text war zu schlecht für einen Teetext.

Aber ich wagte heute ein Experiment. Ich nahm mir meine drei (!) Festplatten.

Es sind diese 1 TB Dinger von Toshiba. Meiner Meinung nach übrigens die einzigen externen Festplatten, die lange halten und wirklich sicher sind. Sie sind mir schon oft vom Computer gefallen und dabei genau auf der Ecke gelandet. Aber sie halten noch. Schleichwerbung Ende.

Ich habe also drei Terabyte Kram, der virtuell verstaubt. Und dann habe ich begonnen, auszumisten.

Alte Videodateien, die ich mal auf Youtube hatte, löschten sich dabei am schwierigsten. Sie waren online, sind jetzt offline in meiner kleinen, schwarzen Datenbank. Und ich habe sie gelöscht. Die Aufnahmen waren katastrophal. Ich würde sie mir nicht mehr anhören.

Und wenn ich mal berühmt, aber tot bin, muss sich die Nachwelt auch nicht daran erfreuen.


Alte Texte, die ich fand, habe ich radikal aussortiert. Alles, was mit Plänen zu tun hatte oder einfach nur Notizen waren, musste ich entsorgen.

Irgendwann in meiner Vergangenheit liebäugelte ich damit, Let’s Plays zu machen. Habe damals einfach mal etwa achtzehn Stunden Material aufgenommen und nie geschnitten, nie hochgeladen. Ich bin einfach kein Youtuber. Habe nicht genügend Spaß am Zocken und sitze ungern. Da sind Let’s Plays einfach nichts. Klar, in meinen Dead by Daylight Sessions waren einige gute Sprüche dabei und viele tolle Bugs habe ich sichtbar gemacht, aber wozu brauche ich sie?

Die Erinnerung zählt. Die Erinnerung an Dead by Daylight enthält die guten Gespräche, die ich mit meiner kleinen Gruppe hatte. Da gab es einen Spanier, den Aaron. Mit dem konnte ich immer nur nach Mitternacht spielen, weil die Spanier einen anderen Biorhythmus haben. Wirklich jetzt! Da laufen sogar die Nachrichten erst um 21, 22 Uhr.

Dann gab es da Patrick und Michelle, mit denen ich weiterhin guten Kontakt habe. Die Gespräche waren toll, die Spiele gut. Es gab auch schlechte Spiele, aber die Zeit, die ich damit verbracht habe, war eine gute Zeit. Oder Claudio, ein Zeichentalent. Auch ihn habe ich über das Spiel kennengelernt und ihm später sogar eine Übersetzung aus dem Japanischen lektoriert. Alles interessante Menschen.

Ich könnte aufschreiben, warum unsere Zeit so gut war. Oder was mich dazu bewegt hat, der Hälfte dieser Leute meine Nummer zu geben. Überhaupt: Meine wahre Identität preiszugeben und den Menschen zu vertrauen. Sich mit Shelly und Patrick sogar mal treffen zu wollen. Aber das wäre nicht halb so witzig und irgendwann auch nicht mehr so ganz wahr, wie es in echt war.

Also lösche ich die Aufnahmen. Und befreie mich vom digitalen Müll. Denn die Erinnerungen nimmt mir keiner. Ich muss lernen, loszulassen.

Aaron, Shelly, Claudio und Patrick bleiben mir erhalten. Es sind Kontakte, und mit denen gibt es mal soziale Berührungspunkte und mal Zeiten des Schweigens. Aber was will ich mehr, als Kontakte, die jederzeit wieder aktiv werden können gepaart mit guten Erinnerungen?

Nichts.

Das ist es.

Natürlich bewahre ich Texte aus, die später relevant werden können. Zum Beispiel den Mini-Zauberer, eine herzzerreißende Geschichte, die ich in der dritten Klasse geschrieben habe. Ich hatte damals sogar meine erste Lesung, fällt mir da ein. In einem Café konnte ich die Geschichte vorlesen. Das war irgendein Projekt meiner Cousine, die schon 14 war oder so. Und ich war eine Art Ehrengast.

Solche Texte bleiben neben den Erinnerungen an das Drumherum erhalten und werden nicht gelöscht.

Auch Bilder bleiben mir erhalten. Ob ich sie mir jemals wieder ansehen werde, weiß ich nicht. Aber man kann ja nie wissen.

“Das könnte man ja noch gebrauchen” …

Alles Liebe,

Kia



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