Vermutlich gibt es kaum noch Autoren, die ihre Manuskripte mit der Hand schreiben. Der Computer beziehungsweise die Tastatur hat Stift und Papier längst abgelöst. Dabei hat das Schreiben mit Stift und Papier besondere Auswirkungen auf unser Gehirn und kann durchaus Vorteile haben.
Wer schreibt noch mit Stift?
Laut einer Studie, die Anfang 2024 durchgeführt wurde, schreiben in Deutschland nur noch knapp 19 % Texte mit der Hand. 40 % hingegen schreiben ausschließlich mit einer Tastatur oder auf dem Smartphone. 37 % nutzen beides, aber mit einer verstärkten Tendenz zur Tastatur.
Eine Entwicklung, die sicher nicht überraschend ist. Noch weniger überraschend ist vermutlich, dass Stift und Papier bei jüngeren Generationen kaum noch einen Stellenwert haben. In der Schule wird natürlich noch mit Stift geschrieben, aber dann wird es auch schon eng.
Es gibt aber gute Gründe, hin und wieder doch noch zum Stift zu greifen. Beispielsweise, wenn wir uns etwas merken wollen. Studien belegen, dass wir uns besser an Dinge erinnern, die wir per Hand aufgeschrieben haben und nicht mit einer Tastatur. Das Gehirn lernt mit der Hand. Schreiben mit Stift verbessert unsere Feinmotorik und unser Erinnerungsvermögen.
Das liegt unter anderem auch an der Einzigartigkeit unserer Schrift. Auf einem Bildschirm oder Display sieht jeder Buchstabe gleich aus. Aber unsere Handschrift ist immer ein wenig anders. Nicht jedes A sieht aus wie das nächste A. Wir können uns das Chaos besser einprägen. Vielleicht ist das der Grund, warum bei mir alles immer im Chaos versinkt, ich aber trotzdem den Überblick behalte.
Schreiben mit Stift hat also durchaus generelle Vorteile, aber was sind die Vorteile für Autoren?
Geschichten schreiben mit dem Stift
Bevor die Schreibmaschine erfunden wurde, schrieben die Menschen alle Geschichten mit Stiften. Oder ritzten sie in Steine. Oder malten sie auf. Selbst die Schreibmaschine hat daran gar nicht so viel geändert. Natürlich hat sie das Schreiben vereinfacht und beschleunigt, aber es ist nicht so, dass sich die Schreibmaschine direkt durchgesetzt hätte.
Ganz im Gegenteil: Das erste Patent für eine Schreibmaschine wurde bereits im Jahr 1714 von Henry Mill eingereicht. Aber erst 150 Jahre später wurde die erste kommerziell erfolgreiche Schreibmaschine auf den Markt gebracht. Ein so etabliertes Konzept wie Stift auf Papier lässt sich nicht einfach so ablösen.
Mittlerweile sind wir aber an einem Zeitpunkt in der Historie angekommen, an dem das digitale Schreiben nicht mehr wegzudenken ist. Im Gegensatz zu den ersten Schreibmaschinen ist die Digitalisierung eine so große Vereinfachung zahlreicher Prozesse, dass wir uns stark daran gewöhnt haben, sie zu nutzen. Das Schreiben, die Nachbearbeitung, die Buchdienstleistungen, selbst die Veröffentlichung waren nie so einfach wie mit dem Computer.
Deshalb ist schon mal klar, dass der letzte Entwurf im besten Fall digital entsteht. Die anschließende weitere Bearbeitung des Textes ist dadurch viel einfacher. Vermutlich nehmen viele Verlage und Dienstleister gar keine handgeschriebenen Manuskripte mehr an.
Kia Kahawa nimmt übrigens auch handgeschriebene Manuskripte an. Der Aufpreis ist durch den sehr hohen Aufwand aber enorm.
Aber, warum nicht das erste Kapitel einer neuen Geschichte einfach mal mit der Hand schreiben?
Kreativer und bedachter schreiben
Es braucht vermutlich ein wenig Übung, wieder mit einem Stift zu schreiben. Der Faktor Zeit ist dabei nicht zu vernachlässigen. Die meisten Autoren tippen viel schneller auf der Tastatur, als sie mit einem Stift schreiben. Ein beliebter „Sport“ unter Schreibenden ist ja das Wörterzählen. Manche schreiben 1.000 Wörter am Tag, andere 5.000. Ernest Hemingway hat sogar „nur“ 500 Wörter am Tag geschrieben. Dafür war aber auch jedes einzelne davon mit Bedacht gewählt. Michael Crichton hingegen schrieb täglich 10.000 Wörter. Wir alle liegen vermutlich irgendwo dazwischen.
Mit Stift und Papier ist es vermutlich kaum möglich, ein so hohes Pensum zu erreichen. Vor allem nicht täglich. Trotzdem ist es laut einer Studie an der University of Washington durch das Schreiben mit Stift auf Papier möglich Zeit zu sparen.
Das hat zwei Gründe:
- Wenn wir Texte mit der Hand schreiben, wählen wir unsere Wörter bewusster. Wir haben keine Löschfunktion, mit der wir das Geschriebene wieder rückgängig machen können. Ja, es gibt Tintenkiller und Radierer, aber es ist viel umständlicher Wörter von Papier zu löschen. Deshalb gewöhnen wir uns an, unsere Worte mit mehr Bedacht zu wählen wie Hemingway.
- Das hat einen weiteren Effekt auf unser Schreibverhalten: Wir schreiben kreativer. Laut der Studie an der University of Washington sind handgeschriebene Texte kreativer und bildhafter beschrieben. Wenn wir mit einem Stift schreiben, regt das also unsere Fantasie und Vorstellungskraft an, weil unser Gehirn auf andere Weise gefordert wird als beim Tippen auf einer Tastatur.
Klingt doch ziemlich gut.
Fazit zu der Frage: Stift oder Tastatur?
Mal wieder mit der Hand zu schreiben, kann ungeahnte Auswirkungen auf unsere Kreativität haben. Natürlich braucht es etwas Eingewöhnung und auch aus Gründen der Nachhaltigkeit sollten wir nicht alles auf Papier niederschreiben und dadurch am Ende mehr Müll machen als unbedingt notwendig. Außerdem ist ein Roman mit dreihundert Seiten auch nicht mal eben aus dem Ärmel geschüttelt. Schon gar nicht in mehreren Entwürfen. Aber um die Fantasie anzukurbeln und auf neue Ideen zu kommen, ist es definitiv einen Versuch wert, mal wieder einen Stift in die Hand zu nehmen.
Oder schreibst du bereits Texte mit der Hand?