Als Mitglied im Bundesverband junger Autoren und Autorinnen e.V. (BVjA) erreichte uns jüngst die Bitte, eine Petition zu unterzeichnen, in der das Netzwerk Autorenrechte sich für gesetzliche Regulierungen für die Nutzung von künstlicher Intelligenz ausspricht.

Die Inhalte der Petition

Vorweg ein Disclaimer: Die Petition enthält valide Argumente und wir verstehen auch die Idee dahinter, dass eine gesetzliche Regulierung von KI-Nutzung für Kreative (zu denen wir uns schließlich auch zählen) auf gewisse Weise erstrebenswert ist.

Trotzdem haben wir die Petition nicht unterzeichnet.

Warum nicht? Das hat mehrere Gründe.

Die Petition bezieht sich auf

  • Text
  • Lektorat
  • Übersetzung
  • Illustration
  • Hörbuch

Würde es in der Petition ausschließlich um Illustration und Hörbuch gehen, würden wir sofort unterschreiben.

Die generative Erstellung von Illustrationen bedient sich deutlich der Werke von Künstler*innen und führt zudem die Kundschaft an der Nase herum, indem sie für eine Leistung bezahlen, die urheberrechtlich von einer anderen Quelle stammt und zudem nur durch einen Klick erzeugt wurde.

Beim Hörbuch bedient sich die KI der Stimme von Menschen. Dadurch geht die Natürlichkeit der Sprache verloren. Außerdem bewegen wir uns hier in Gefilde, die in die Persönlichkeitsrechte eingreifen. Will ich, dass meine Stimme pornographische Inhalte vorliest? Will ich, dass meine Stimme das Buch eines Querdenkers vertont? Eher nicht, um nicht zu sagen „Auf gar keinen Fall!“

Ginge es ausschließlich um Bilderschaffung und Hörbücher, wäre unsere Unterschrift also bereits unter der Petition.

Aber:

Text, Lektorat und Übersetzung in der Petition

Fangen wir mal mit der Übersetzung an: Grundsätzlich ist die Entwicklung, dass uns Tools bei der Übersetzung helfen, bereits seit vielen Jahren in vollem Gange. Ja, vor dem Internet mussten Übersetzer*innen ihre Sprachen beherrschen. Als Hilfsmittel hatten sie ein Wörterbuch und das war es dann auch.

Heute können Übersetzer*innen mit einem Sprachniveau auf – sagen wir – B-Level, mit der Hilfe von Übersetzungstools bereits einen nahezu perfekten Job machen. Was unterscheidet das also von der Übersetzung durch eine KI? Am Ende bleibt der Mensch immer die letzte Kontrollinstanz. Ein Mensch mit einer KI ist immer besser als ein Mensch. Ein Mensch mit einer KI ist aber auch immer besser als die KI.

Das soll auch auf keinen Fall den Job von Übersetzer*innen abstufen. Wir bedienen uns alle der Tools, die uns zur Verfügung stehen und KI ist so ein Tool.

Wenn wir beispielsweise mal den Schwenk zum Text machen. Eine Marke von Kia Kahawa ist die Textflamme. Diese Marke lebt von der Texterstellung. Wir leben also nicht alle hier nur von den Verlagsdienstleistungen. Würden wir uns Sorgen um unsere Jobs machen, hätten wir unsere Unterschrift unter die Petition gesetzt.

Wir machen uns aber keine Sorgen um unsere Jobs.

Warum nicht?

Wir wollen an dieser Stelle nicht die große Geschichtsstunde eröffnen, aber die Entwicklung von KI ist in unseren Augen auch nicht mehr als ein weiterer, logischer Schritt, der neue Möglichkeiten schafft, die eine Bereicherung für uns sein können, wenn wir sie zu nutzen wissen.

Natürlich ist das immer ein Lernprozess. Als der Buchdruck erfunden wurde, haben vermutlich alle gezittert, die bis dahin Bücher per Hand abgeschrieben haben. Dafür wurden Menschen in den Druckereien eingestellt.

Jetzt ist eben die künstliche Intelligenz da und wir müssen lernen, mit ihr zu leben. Die KI macht nicht automatisch tausende Schreibende arbeitslos. Genauso wenig Übersetzer*innen oder Lektor*innen.

Am Ende zählt immer noch Qualität

Ja, das mit der Qualität ist immer so eine Sache, aber wer mal versucht hat, eine KI ein Buch lektorieren zu lassen, wird schnell feststellen, dass da nicht viel rumkommt.

Jetzt mag es natürlich so sein, dass die KI immer weiterentwickelt wird und irgendwann ist sie vielleicht tatsächlich auf einem Level, dass sie ein brauchbares Lektorat erstellen kann.

Aber bis dahin ist es unser Job, uns mit künstlicher Intelligenz vertraut zu machen. Wir müssen lernen, mit ihr zu arbeiten. Ihren Nutzen für uns entdecken. KI kann uns effizienter in unserer Arbeitsweise machen. Sie ist nicht zwangsläufig unser Feind.

Uns ist natürlich bewusst, dass nicht überall auf Qualität geachtet wird, aber dort, wo Qualität eine Rolle spielt, gehen wir stark davon aus, dass KI keine übergeordnete Rolle spielen wird. Weder macht die KI für uns das Lektorat, noch schreibt sie unsere Texte. Das kann sie nicht ohne unsere Hilfe und selbst mit unserer Hilfe, tut sie sich damit sehr schwer.

Wir merken das verstärkt in der Textflamme. Die Texterstellung und das Prompt Engineering gehen auf gewisse Weise Hand in Hand. Es braucht immer jemanden, der einer KI sagt, was sie tun soll und der KI genau zu sagen, was sie tun soll, damit das Ergebnis auch wie gewünscht ausfällt, ist ein ganz eigener Beruf, den es zuvor nicht gab. Wir haben also eher mehr Jobs als vor der KI.

Kriminalität durch KI laut der Petition

Jetzt wird es schwierig: Warum wir die Petition bezogen auf die Gefahr durch KI nicht unterschreiben, haben wir bereits geklärt. Vielleicht hätten wir aber sogar noch das ein oder andere Gegenargument angehört, um uns doch überzeugen zu lassen, allerdings macht die Petition noch eine Tür auf, durch die wir auf gar keinen Fall gehen wollen, da wir da komplett anderer Meinung sind.

Es gibt sicher mittlerweile so einige Bücher, die alleine mit KI entstanden sind. Stichwort: Cashgrab. Das schnelle Geld mit beschissenen Büchern machen. Finden wir auch alles andere als gut. Aber die Petition betrachtet es als kriminelle Geschäftsmodelle und da sind wir entschieden anderer Meinung.

Es ist eine Nutzung der vorhandenen Mittel. Die mag verwerflich sein und unterstützen wir wie gesagt auch entschieden nicht. Würde uns jemand anfragen, für ein Buch, das von einer KI geschrieben wurde, den Buchsatz und das Cover zu machen, würden wir den Auftrag ablehnen. (Es sei denn, es steckt ein bewusstes Konzept dahinter und nicht nur reine Geldmacherei).

Am Ende entscheiden aber auch immer noch die Leser und Leserinnen, welches Konzept erfolgreich ist. Wenn sie KI-generierte Bücher kaufen, ist das ein Geschäft wie jedes andere auch. Es ist kein Geschäft, das wir unterstützen wollen, aber es ist nun mal ein Geschäft.

Sind wir alle kriminell?

Das macht es aber noch lange nicht kriminell. Eine Straftat liegt nicht vor. Es liegt nicht mal eine Urheberrechtsverletzung vor. Die KI „stiehlt“ Texte nicht. Sie verwendet Texte für ihr Training, um zu lernen und dann eigene Antworten daraus zu erstellen.

Wisst ihr, wer das auch macht: wir Menschen. Wir lesen Texte, hören Sprache und wir lernen dadurch. Formulierungen. Slang. Jugendsprache. Und dann schreiben wir unsere eigenen Texte und sprechen miteinander und dadurch lernen andere Menschen.

Wie oft haben wir bereits Geschichten gelesen, die damit beginnen, dass der Protagonist aufwacht und sich an nichts erinnern kann? Wie viele Geschichten kennt ihr, die damit enden, dass die Protagonistin alles nur geträumt hat?

In wie vielen Büchern haben wir „Ich bin dein Vater“ oder eine ähnliche Variante gelesen? Autoren und Autorinnen prägen seit jeher unser Sprachbild, sei es in Romanen oder in verfilmten Drehbüchern. Einzelne Worte sind nicht urheberrechtlich geschützt. Wir verwenden sie durchgehend, nutzen sie als Inspiration und bauen darauf unsere Texte auf. Genau das macht eine KI ebenfalls. Sind wir also alle kriminell, wie es die Petition der KI unterstellt?

Wo wir wirklich ansetzen sollten

Künstliche Intelligenz ist ein fester Bestandteil unseres Lebens geworden. Genau wie es einst das Internet wurde. Davor der Computer. Davor die Elektrizität. Immer, wenn es eine so einschneidende Entwicklung gibt, besteht die Angst, dass sich alles verändern wird. Angst vor Jobverlust.

Dabei ist jede neue Entwicklung eine Chance uns selbst auch weiterzuentwickeln. Neue Dinge zu lernen. Uns mit interessanten Sachen vertraut zu machen. Sie zu unseren Gunsten zu nutzen.

Letzten Endes entscheiden die Lesenden, welche Bücher erfolgreich sind. Wogegen wir also viel lieber etwas unternehmen sollten, sind Fake-Rezensionen, Fake-Bewertungen. Schreiben und veröffentlichen wir Bücher von hoher Qualität und sorgen für echte Rezensionen und echte Bewertungen.

Und das gelingt uns unter anderem, indem wir künstliche Intelligenz für uns nutzen. Eine KI kann uns ein sinnvolles Inhaltsverzeichnis für ein Sachbuch erstellen. Wir lassen die KI Fragen formulieren, die in dem Sachbuch sinnvoll beantwortet werden sollten. Wir finden mit der Hilfe von KI Themen, die wir selbst übersehen haben. KI erstellt uns Personas, auf denen unsere Charaktere im Roman basieren. Sie liefert uns Ideen und Inspiration. Sie ist ein Hilfsmittel wie zahlreiche andere auch.

Wollen wir so ein Hilfsmittel wirklich gesetzlich regulieren, nur damit sich dann andere daran eine goldene Nase verdienen? Wir hören schon die Werbung: „Für nur wenige Euro im Monat kannst du mit diesem VPN die Regulierung umgehen!“ Nein danke.

 

Es ist nicht das erste Mal, dass wir nicht direkt mit dem BVjA übereinstimmen. Schon beim Artikel 17 der Urheberrechtsverordnung waren wir uns nicht einig. So eine Meinungsverschiedenheit hat aber natürlich nichts zu bedeuten. Wir sind und bleiben weiterhin Mitglied im BVjA und unterstützen junge Autoren und Autorinnen. Manchmal sind wir nur eben nicht einer Meinung.

 

Du musst natürlich ebenfalls nicht unserer Meinung sein. Siehst du die Dinge vielleicht komplett anders? Dann halten wir dich natürlich nicht davon ab, die Petition zu unterschreiben. Hier gelangst du direkt zur Petition vom Netzwerk Autorenrechte.