Die Ambivalenz der BuchBerlin

von | 27.11.2017 | 1 Kommentar

Ich war auf der BuchBerlin und möchte zweierlei loswerden. Wie so’n Black’n’White-Keks gebe ich dir erst den heiteren, aber unvollständigen Messebericht, und dann die volle Breitseite von Deprimiertheit her. Viel Wasauchimmer beim Lesen; heute mal etwas persönlicher und gar nicht mal so strukturiert.

Am 25. November bin ich Buch Berlin gefahren. Nachdem ich mich zwischen vier und fünf mehr oder weniger freiwillig, aber bereits twitternd, aus dem Bett gequälte habe (Danke, Tinte), ging es mit der Straßenbahn zum ICE um halb sechs los. Im Bett lagen wir gegen eins. Müdigkeitserscheinungen: Null.

Ich habe gemerkt, wie in mir dieses Familiengefühl wieder aufstieg, das ich während der Frankfurter Buchmesse vermisst habe (weil ich nicht da war). Der Zug kam an Stationen zu früh an, die Schaffnerin war gut gelaunt, unsere Sitznachbarin war sympathisch, ich habe an meinen Texteraufträgen im Zug gearbeitet und Tinte war fleißig am Prokrastinieren und Quatschen. Alles mehr oder weniger normal und durchaus positiv.

 

Samstagsmessebericht der BuchBerlin

Schon vor der Eingangstür wurde ich von Margaux erkannt und mit Tickets versorgt. Konnte ja nur gut werden, der Tag!
BuchBerlin, irgendwas nach 10:00 Uhr: Ich war aufgekratzt, hibbelig und gesprächig. Es hat mich sehr gefreut, gleich M. D. Grand und Katrin Ils in Jill Nolls Chill-Camp anzutreffen. Das erste Eis der fremden neuen Umgebung war gebrochen (ach, was sage ich, das Feuer war entfacht) und ich bin endgültig durchgedreht äh, aufgetaut. Ein langes Gespräch mit Marcus Johanus folgte, dann habe ich Christina Haslinger, Steffi Wittern und einige neue Gesichter kennengelernt bzw. wieder getroffen.

smagoetze BuchBerlin, 12:13 Uhr: Kennt ihr schon S. M. A. Goetze? Sie hat ein sehr interessantes Konzept, wie sie ihr Buch unter die Leute bringt. Sie tritt an Schulen heran und hatte auch an ihrem eigenen Stand eine Preisliste für Schulen, was ihre Leistungen anging. Hautnah an der Zielgruppe mit dem eigenen Roman: Inklusive Arbeitsblättern für den Unterricht, Unterrichtsmaterial für Themen wie kreatives Schreiben, Charakterbesprechungen und so weiter – hach. Danke, Sofies Mama, dass du mich aufgegabelt und zu ihr gebracht hast.

BuchBerlin, 12:30 Uhr: Direkt neben Sofie (S- M- A. Goetze) durfte ich Mary Cronus kennenlernen. Der erste Band ihrer Reihe existiert aus der Perspektive von zwei verschiedenen Charakteren. Buchdesign und Sympathie haben mich total geflashed, und als sei das noch nicht genug gewesen (für die ersten beiden Stunden), habe ich dann auch noch Jana Tomy und Kathy Wild getroffen.

BuchBerlin, 12:45 Uhr: Zurückziehen. Durchatmen, habe am Stehtisch über der Messe diese Zeilen geschrieben und es etwas bereut, keine Spiegelreflexkamera dabei zu haben. Die Messe von oben zu betrachten, das gleicht einem Wimmelbild. Ich habe alle, die ich bisher getroffen habe, von oben finden können, und endlich mal durchgeatmet. A propos durchatmen: An dieser Stelle des Blogbeitrags kümmer ich mich eben und Twitter und Instagram, schalte den Laptop aus und verschwinde wieder in der Masse.

BuchBerlin, 13:13 Uhr: Pause vorbei. Weiter geht’s. Ab etwa 15 Uhr habe ich meine Verlagstour begonnen, und darüber gibt es aus Gründen der Professionalität natürlich nichts zu berichten 😉 Dennoch hier ein paar Bilder „von zwischendurch“.

 

BuchBerlin, 17:53 Uhr: Die Gruppe wartet auf mich in Jills Chillcamp. Ich treffe unerwartet eine Autorin, die etwas zu Psychosen geschrieben hat und mir als super Recherchequelle für mein aktuelles Projekt dienen kann. Sie interessiert sich für die Krankheitensammlerin, wir tauschen eben Kontakte aus, dann geht’s weiter. Schließlich warten Menschen auf mich.
BuchBerlin, 17:59 Uhr: Ich habe Marcus Johanus noch einmal kurz getroffen. Schnell ein Foto mit der „Kleinen“ gemacht und verabschiedende Worte gequatscht. Ich könne kaum einem mehr als ihm den Feierabend, ist er doch krank auf der Buchmesse. Hut ab, Marcus!

ICE nach Hannover, 20:59 Uhr: Neben mir schläft ein Mensch. Sein Smartphone in der Hand verankert, als wolle er seinen Traum so schnell wie möglich twittern, falls er an der spannenden Stelle aufwacht. Der ICE fuhr planmäßig ab, aber statt über Wolfsburg geht es über Braunschweig und Stendal fällt aus, daher werden wir 70 Minuten später ankommen. In den ersten zwanzig Minuten (wow!) der Fahrt habe ich nur da gesessen, den Bildschirm angestarrt und nichts gedacht. Alles wuselte im Kopf rum, Tinte neben mir ist eingenickt und ich habe da so ein Gefühl. Ein ziemlich bitteres Gefühl.

ICE nach Hannover, 21:15 Uhr: Kennst du das Gefühl, dass du nicht über etwas reden möchtest, was dir gerade passiert ist, weil du es so intensiv wahrgenommen hast, dass du es selbst nicht verarbeiten konntest? So ist das bei mir. Ich will nicht vom Besuch bei Farina schreiben, über das Treffen mit Effi oder über die After-Messeparty in der Oase mit all den tollen Menschen. Es war alles so toll, und ich habe locker eine Handvoll wunderbarer Personen und Ereignisse vergessen zu erwähnen. Ich war die ganze Zeit übertaktet. Und das war, wie mein Körper mir inzwischen mitteilt, sehr anstrengend. Um ehrlich zu sein, nein. Ich fühle mich wie auf Koks. Ich habe noch nie Koks genommen, aber das müsste sich ganz bestimmt so anfühlen. Die Füße tun gar nicht mehr weh und beim gemeinsamen Essen mit Christian, Jana, Jill, KC, Kathi, Ally und den anderen hatte ich keinen Hunger. Irgendwie habe ich alles, was ich brauche, und das ist ein gutes Gefühl. Natürlich habe ich zur Vernunft ordentlich und brav gegessen, genug getrunken sowieso… Wenn man seit vier Uhr morgens auf den Beinen ist und 15.439 Schritte gelaufen ist, sollte man nach dem Frühstück um fünf doch noch etwas zu Abend essen. Jap. Ausdauer kann ich gut.

Es ist also alles gut gewesen. Trotzdem kam dann, etwa ab dem Moment, als ich den schlafenden Tinte neben mir als schlafend diagnostizieren konnte, dieser Kloß im Hals. Dieses Liebeskummer-Gefühl.

Klar, ich habe auf der Buchmesse in Berlin meine Familie wieder getroffen. Und ich habe neue Buchmenschen kennengelernt und mal wieder gesehen, wie extrovertiert ich im Messemodus sein kann. Networking kann ich, und ich liebe es, dass ich das einfach so kann. Andere haben Schwierigkeiten, aus sich herauszukommen und sich in Gespräche mit Fremden zu stürzen, daher bin ich umso dankbarer für Training & Talent. Auch die vier Verleger, die mich neu kennengelernt haben und entweder an mir als Autorin oder an mir als Administratorin von Show, don’t tell interessiert sind, zeigt mir, dass ich ziemlich was auf dem Kasten habe.

Ich kann das alles ziemlich gut. Das Autorinsein. Das Drumherum. Twitter, Social Media, Networking. Meinetwegen auch Marketing. Projekte. Ich habe in den letzten Wochen ultra häufig Dinge gehört wie „was du in 2017 alles auf die Beine gestellt und geschafft hast, … Wahnsinn!“, und das ehrt mich auch sehr.

Dann kommt das „aber“:

Aber etwas fehlt.

 

Als ich das „Ausverkauft!“-Schild bei Marlen am Stand gesehen habe, war mir eigentlich schon grob klar, was mir fehlte, dachte ich doch, es ginge ums Schreiben. Aber mit Janna konnte ich über die Messe laufen und quatschen, auch über ihren verrückten Versuch, in den letzten Tagen des NaNoWriMo noch mal eben 50.000 Wörter zu schreiben, ohne dass es zu meiner Stimmung beigetragen hat. Ich habe kein schlechtes Gewissen, wenn ich mich mit Networking und Social Media Marketing ein bisschen in dieser doch inzwischen sehr großen Blase im Kreis drehe. Ich habe kein schlechtes Gewissen, wenn ich nicht schreibe, sondern ich habe Versagensängste. Fucking große Versagensängste. Nicht irgendwelche Ängste, die man mit einem „du schaffst das schon“ oder „das wird!“ ausbügeln kann. Sie sind zu groß, als dass ich sie tragen kann.

Am Sonntagabend haben sie mich fertig gemacht. Wie brutale Schläger haben sie auf mich eingeprügelt und ich habe gar nichts tun können.

Gleichzeitig fühlt sich mein Innerstes an, als hätte mir jemand ziemlich hart wehgetan, daher finde ich das Symbol der brutalen Schläger ziemlich passend. Als wäre mein Herz eine Mandarine, aus der man sich eine Spalte geklaut hat, bin ich einfach unvollständig. Aber nicht nur das, irgendwie ist etwas in mir zerbrochen.

Daher kommt mir der literarische Adventskalender, der am Freitag startet, ganz recht. Alles ist vorbereitet, und ich werde abschalten können. Ich muss in mich gehen und herausfinden, was da so furchtbar wehtut. Irgendwo bin ich mir selbst nicht treu, oder ich vernachlässige etwas Wichtiges, etwas frisst mich auf. Irgendwie sowas. Und es wurde beim Abschied von der BuchBerlin getriggert. Lässt mich seitdem nicht mehr los.

Voraussichtlich am 31.12. werde ich einen Jahresrückblick auf diesem Blog veröffentlichen und dann auf das Thema im Großen und Ganzen eingehen.

Jetzt sitze ich in Hannover mit einer Scheißangst, die mir niemand nehmen kann. Sie ist berechtigt, denn ich kenne die Aufgaben, die im nächsten Jahr auf mich warten. Und die Schwierigkeiten, die sich mir schon jetzt in den Weg stellen, wecken einfach nur Schwindelgefühle. Gleichzeitig weiß ich, dass ich das alles packen werde, aber ich merke auch, wie ich mich selbst dabei verliere. Und dann bin ich überfordert und traurig und will einfach nur in den Arm genommen werden. Aber das bringt mich ja auch nicht weiter, weil in Hannover keine Buchmenschen zum Knuddeln sind.

Die BuchBerlin war klasse. Ich war einen Tag glücklich wie lange nicht, und will keine einzige Messe, kein einziges Event mehr verpassen. Aber unter der Oberfläche bin ich nicht überhaupt nicht ok. Ich danke für deine Aufmerksamkeit.

Alles Liebe,

Kia



1 Kommentar

  1. Micha

    Free hugs kriegst du jederzeit von mir, auch in Hannover 🙂

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