Die gesellschaftliche Entwicklung der Autorinnen

von | 14.05.2017 | 0 Kommentare

Im Rahmen der Aktion #Autorinnenzeit habe ich heute Elenor Avelle interviewt. Es geht um Social Media, Twitter und die Durchsetzungskraft von Frauen in unserer Branche.

Elenor Avelle im Interview #Autorinnenzeit

Hallo Nora! Man kennt dich als Elenor Avelle, die zeichnet, schreibt und seit einigen Wochen auch bloggt. Ich habe dich als meinen Twitter-Zwilling kennengelernt, weil wir uns dort fast zur gleichen Zeit angemeldet haben. Wie hat sich dein Leben als Autorin verändert, seitdem du bei Twitter bist?

Grundlegendes, würde ich sagen. In meinem Umfeld kommt niemand aus der Buchbranche. Es ist ungemein inspirierend, plötzlich von Leuten umgeben zu sein, die gleich verstehen, was du meinst 🙂

Du hast also gewissermaßen ein Zuhause für deine Schreiberseele bei Twitter gefunden, behaupte ich jetzt mal. Du steckst nicht nur in deinen eigenen Projekten, sondern machst du den Booktalk, in dem ich selbst schon zu hören – und dank deiner kreativen Feder auch zu sehen – war und gleichzeitig ist da noch dieses große Projekt #FFZ. Dabei managst du einen Haushalt mit zwei Söhnen und einem Mann. Du bist also eine typische Powerfrau ohne Limits. Sind deine Kapazitäten voll? Oder geht da noch mehr?

Die sozialen Netzwerke sind eine Ergänzung, würde ich sagen. Das Zuhause meiner Schreiberseele ruhte schon immer in mir selbst. Aber künstlerisch fühle ich mich von den tollen Leuten bei Twitter und Co. regelrecht beflügelt. Es sind viele tolle Projekte dazugekommen. Als Powerfrau würde ich mich nicht beschreiben. Manchmal hetzt mich meine Kreativität mehr als ich möchte, und es tut auch weh, sich zurücknehmen zu müssen, wenn der Alltag mal wieder dazwischenfährt. Es kann schon ganz schön anstrengend werden, das alles gleichzeitig zu meistern. Im Grunde kann ich nur versuchen, in allen Bereichen mein Bestes zu geben.

Ich habe vor Kurzem Wiebke Tillenburg interviewt.
Sie ist Autorin und Mutter von zwei Kindern und hat gesagt, dass die Vereinbarkeit von Karriere und Familie niemals so aussehen kann, dass beide Wünsche zu 100 % erfüllt werden.

Wiebke sagte: Der Druck auf die Powerfrau ist jetzt schon zu groß. Ich muss immer lachen, wenn ich die Politiker von der Vereinbarkeit von Karriere und Familie reden höre. Aber ich kann keine Traumkarriere machen und dabei eine Super Mutter sein. Eines kommt am Ende zu kurz.

Siehst du als Mutter von zwei Kindern, das so wie sie?

100 % *lacht*

Was bekommt man schon zu 100 %? Aber ja, ich stimme ihr zu. Man muss Abstriche machen. Wie viele, das hängt natürlich auch von den äußeren Umständen ab. Die Familie braucht viel Pflege und Zuspruch. Sowohl mein Mann als auch ich müssen immer mal verzichten, um den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden. Aber das macht eine Familie ja auch aus, Kompromisse um Platz für das Glück von allen zu schaffen.

Hast du überhaupt noch Zeit zum Lesen?

Wenn ich an so vielen Projekten arbeite wie im Augenblick bleibt nicht mehr viel Zeit, um zu lesen. Abends schlafe ich schon nach zwei Sätzen über dem Buch ein und tagsüber ist zu viel zu tun. Ich höre momentan eher Hörbücher, während ich zeichne.

Klingt turbulent und leidenschaftlich. Welches ist eigentlich dein Hauptprojekt? Man hat schon an einigen Ecken der sozialen Medien gehört, dass du noch dieses Jahr ein Buch veröffentlichen wirst. Erzähl uns davon!

Ein Hauptprojekt zu bestimmen fällt mir schwer. Ich arbeite ständig an mehreren Sachen gleichzeitig und für mich ist immer das das Hauptprojekt, das mir den meisten kreativen Input gibt. Der Roman, den ich diesen Sommer rausbringen möchte, war der eigentliche Anstoß, weswegen ich in die Social Media Welt eingestiegen bin. Ich wollte endlich Nägel mit Köpfen machen und eines meiner Bücher veröffentlichen.

“Infiziert” habe ich vor fünf Jahren innerhalb von drei Monaten geschrieben, manchmal bis spät in die Nacht. Ich hatte einen sehr intensiven Traum von den beiden Hauptprotagonisten und musste ihre Geschichte einfach aufschreiben.

Bevor wir zur nächsten Frage kommen, würde ich dich bitten, deine Dystopie “Infiziert” kurz für unsere Leser zu pitchen.

Charlie, eine der letzten Menschen in einer Welt voller Infizierter, ist gut darin zu überleben und mit ihrer Machete für ihre Gruppe gegen Plünderer zu kämpfen. Ein Schatten folgt ihr über die Dächer der Stadt. Er und seine Leute hüten ein Geheimnis, das Charlie nicht mehr loslässt.

Ich danke dir für den Pitch. Fahren wir fort. Auf Twitter habe ich das Gefühl, dass es mehr Autorinnen als Autoren gibt. Im Initiationsartikel zur Aktion #Autorinnenzeit schrieb Sven Hensel zurecht, dass es mehr Autoren als Autorinnen gibt – zumindest bei denen im Bücherregal. Die große Verlagsliteratur stammt überwiegend von Männern, die sich durchbeißenden, hart arbeitenden Selfpublisher sind hauptsächlich Frauen. Stimmst du mir dazu? Was glaubst du, woran das liegt?

Wenn ich ein Buch kaufe, dann denke ich nicht darüber nach, ob es von einem Autor oder einer Autorin geschrieben wurde. Ich musste nachsehen, um festzustellen, dass ich hauptsächlich Bücher von Autorinnen in meinem Regal stehen habe. Es ist leider in vielen Berufen so, dass Männer immer noch Vorteile genießen.  Wenn man sich fragt wieso, dann muss man nur darüber nachdenken, wie unterschiedlich die Geschlechter angesehen werden, wenn sie das gleiche Attribut verkörpern. Ein forscher Mann ist durchsetzungsfähig, eine forsche Frau ist streitsüchtig. Umgekehrt ist es bei der Eigenschaft sensibel. In der Verlagswelt ist Durchsetzungsfähigkeit ein notwendiges Attribut. Wie sollen sich aber Frauen durchsetzen, wenn diese Eigenschaft bei ihnen als unangenehm wahrgenommen wird.

Ich würde sagen, man muss es einfach machen. Ich habe ohnehin ein Problem mit dem Druck, der auf Menschen liegt. Ob auf dem sensiblen Mann, der als Weichei gilt oder der impulsiven Frau, die man als hysterisch abstempelt. Wer ein Ziel hat, muss dieses verfolgen. Dazu gehören für uns Social Media affinen Leute natürlich auch das Mitteilen eigener Gedanken in Form von Content. Blogs, Schreibtipps und Autorenseiten gibt es zuhauf von Frauen. Brauchen Männer weniger Arbeit im Rahmen von Social Media Marketing oder Content Marketing als Männer, um sich auf dem Markt durchzusetzen?

Ich denke durchaus, dass sich männliche Autoren leichter durchsetzen können als weibliche. Das liegt unter anderem daran, dass der Beruf des Schriftstellers früher eine männliche Domäne war, weil Frauen schlichtweg abgesprochen wurde, dass sie poetisch oder komplex denken können. Solche gesellschaftlichen Strukturen ändern sich leider sehr langsam. Umgekehrt ist es ja genauso. Berufsfelder, die als feminin gelten, sind für Männer schwer zu beschreiten.

Wie glaubst du, wird sich die Branche in Hinblick auf die Durchsetzungsfähigkeit von Autorinnen verändern?

Ich denke, dass sich Autorinnen durchaus schon ihren Platz im Verlagswesen erstritten haben. Wenn die Entwicklung in die gleiche Richtung weiter geht, dann hoffe ich auf zunehmende Gerechtigkeit. Das lässt sich aber schwer prognostizieren. Die gesellschaftliche Entwicklung ist maßgeblich für das Meinungsbild und das Ansehen, das Männer oder Frauen in bestimmten Berufsfeldern genießen und die Gesellschaft ist ziemlichen vielen Einflüssen unterworfen.

Du sprichst von Gerechtigkeit. Findest du, die Aktion #Autorinnenzeit kann dazu beitragen, diese zu erreichen?

Ich finde es schade, dass solche Aktionen nötig sind, aber Missstände, über die man nicht spricht, die nimmt auch keiner wahr. Das ist ähnlich wie mit der Frauenquote, ich will sie nicht, aber die Diskussion darüber schafft das Bewusstsein dafür, dass etwas im Argen liegt. Ich finde es sehr couragiert, so eine Aktion zu starten. Dafür hagelt es bestimmt nicht nur Lob.

Das sehe ich genauso! Als Antisexistin ist mir das Geschlecht eines Menschen völlig egal. Ich finde, die Aktion sollte irgendwann den Ausklang haben und zeigen, dass Bücher Bücher sind, Geschichten Geschichten und Autoren Autoren. Nicht mehr und nicht weniger in Abhängigkeit des Genitals, Hormonhaushaltes und was auch immer noch nötig ist, um Mann und Frau zu unterscheiden.

Möchtest du den Lesern noch ein Fazit mit auf den Weg geben?

Die besten Entscheidungen meines Lebens waren die, bei denen ich mich einfach getraut habe. Egal ob ich dann gescheitert bin oder Erfolg hatte, sie waren es alle wert.

Das klingt doch nach einem soliden Fazit und einer tollen Botschaft einer starken Autorin. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Ich wünsche dir mit “Infiziert” und all den anderen Projekten alles erdenklich Gute, aber bei der Qualität, die du lieferst, wird dein weiterer Werdegang sowieso grandios.

nora

Elenor Avelle, geboren 1981 in Berlin, ist Mutter von zwei Kindern, Autorin und Künstlerin. “Egal ob ich Geschichten lese, schreibe oder zeichne, es ist für mich ein außergewöhnliches Erlebnis für kurze Zeit in das Leben eines anderen schlüpfen zu können und mit ihm zu lieben, zu kämpfen und seine fantastische Welt zu erkunden.”

Blog: elenoravelle
Twitter: @ElenorAvelle
Instagram: @ElenorAvelle
Facebook: fb.me/Elenor.Avelle
Youtube: Elenor Avelle

Als nächstes werde ich Margaux Navara, eine Autorin der Erotik zur Autorinnenzeit befragen. Seid gespannt!

Alles Liebe,

Kia



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