Soll- und Istversteuerer – Was bedeutet Istversteuerung?

von | Jun 5, 2021 | Autoren an die Steuer | 0 Kommentare

In diesem Artikel erkläre ich dir den Unterschied zwischen Soll- und Istversteuerer und erkläre dir außerdem, was Istversteuerung für dich bedeutet und wie sie im Alltag von Buchhaltung, Steuererklärung und co. anzuwenden ist. Ein Spoiler vorab: 99,9 % der Leser*innen von „Autoren an die Steuer“ sind Istversteuerer – wenn nicht sogar noch mehr.

Die Begriffe Sollversteuerung und Istversteuerung

Die Sollversteuerung ist die „Besteuerung nach vereinbarten Entgelten“. Stell dir mal vor, ich stehe dir gegenüber und du willst einen wirklich klugen Rat von mir. Ich sage dir dann: „Für einen wirklich klugen Rat von mir kriege ich 100 Euro von dir!“. Dann lugt das Finanzamt plötzlich um die Ecke und sagt zu mir: „Also wenn du das so sagst, dann gib mir 19 Euro Umsatzsteuer. Jetzt sofort.“ Ich gebe dem Finanzamt die 19 Euro Umsatzsteuer und vereinbare dann mit dir einen Termin, zu dem ich dir einen wirklich klugen Rat gebe. Du bezahlst mich. Anschließend sind alle Parteien happy.

Die Istversteuerung sieht da anders aus. Die Istversteuerung ist die „Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten“. Stell dir wieder vor, ich stehe dir gegenüber und du willst mir einen sehr klugen Rat für 100 Euro abkaufen. Ich sage dir: „Klar, kein Ding. Brutto werden das dann 119 Euro sein.“ Du und ich machen einen Termin aus, dann setzen wir uns zusammen und ich gebe dir einen klugen Rat. Im Anschluss bezahlst du mich. Jetzt klopft es an der Tür und da steht das Finanzamt. Es sagt: „Wenn ihr hier Geld austauscht, dann will ich jetzt aber 19 Euro Umsatzsteuer haben!“. Ich gebe dem Finanzamt die 19 Euro und alle Parteien sind happy.

Die Sollversteuerung im Detail erklärt

Das soll heißen: Bei der Sollversteuerung entsteht die Steuerschuld (19 Euro Umsatzsteuer), sobald ich dir eine Rechnung stelle. Wenn du also eine Rechnung am 25. September stellst, musst du am 25. August auch die Steuer in deiner Buchhaltung berücksichtigen und für den aktuellen Voranmeldezeitraum in der Umsatzsteuer-Voranmeldung berücksichtigen. Du erstellst bis zum 10. Oktober deine Umsatzsteuer-Voranmeldung für den September (oder bei quartalsweisem Voranmeldezeitraum für das dritte Quartal), und führst die Umsatzsteuer an das Finanzamt ab. Obwohl du noch keinen Cent Geld vom Kunden gesehen hast! Denn der Kunde zahlt erst, sagen wir, 30 Tage nach Erhalt der Rechnung. Am 25. Oktober erst erhältst du das Geld. Du gehst also quasi in Vorleistung. Und wenn dein Kunde gar nicht zahlt, das Ganze mit Mahnverfahren und Pi Pa Po endet, legt das Finanzamt die Füße hoch: Es hat die Steuer ja schon erhalten. Erst am Ende eines Jahres kannst du als Sollversteuerer durch die so genannten „Forderungsverluste“ hier deine zu viel entrichtete Umsatzsteuer zurück erhalten.

So sieht es bei Istversteuerern aus

Du kannst dir sicher bereits vorstellen, dass Sollversteuerer die „Großen“ sind, die viel Geld verdienen. Ist ja auch klar. Wenn man mit einer Selbstständigkeit nur wenig Geld verdienst und dann ein 10.000-Euro-Auftrag reinkommt, können sich die wenigsten leisten, mal eben 1.900 Euro ans Finanzamt zu geben und dann darauf zu hoffen, dass der Kunde später auch wirklich seine Rechnung vollständig und pünktlich bezahlt.

Um dieses Problem zu umgehen, gibt es die Istversteuerung. Sie greift bei uns „Kleinen“ Unternehmern – hat aber nichts mit der Kleinunternehmerregelung zu tun!

Als Istversteuerer fällt die Umsatzsteuer an, sobald du Entgelte vereinnahmt hast. Landet Geld also auf deinem Konto, dann erst entsteht deine Umsatzsteuerschuld. Du stellst also eine Rechnung am 25. September aus und der Kunde zahlt erst am ersten Oktober? Dann wird von diesem Vorgang nichts in der Umsatzsteuervoranmeldung für September (bzw. für das dritte Quartal), sondern erst im vierten Quartal oder für den Monat Oktober berücksichtigt und schlussendlich auch an das Finanzamt gezahlt.

Grenzen für Soll- und Istversteuerer

Die Umsatzgrenze der Ist-Besteuerung liegt bei 600.000 Euro Umsatz. Wenn du also weniger als 600.000 Euro pro Jahr durch deine Selbstständigkeit einnimmst, bist du Istversteuerer. Istversteuerer bist und bleibst du übrigens auch, wenn du Freiberufler bist. Ein Arzt oder eine Schriftstellerin etwa sind Freiberufler – die können auch mehr als 600.000 Euro im Jahr umsetzen, ohne zum Sollversteuerer zu werden. Denn Sollversteuerung bringt die Pflicht zur so genannten OPOS-Buchführung (doppelte Buchführung) mit sich. Die bei Softwares wie Lexoffice total einfach und automatisch auch für Istversteuerer enthalten.

So, nun hast du den Unterschied zwischen Sollversteuerern und Istversteuerern hoffentlich verstanden und weißt auch, zu welcher Gruppe du gehören solltest. Aber – hier kommt das große Aber! – der Gesetzgeber wäre nicht unser Gesetzgeber, hätte er es uns hier einfach gemacht, oder?

Du musst die Istversteuerung beantragen

Weiß kaum jemand, ist aber so. Du musst die Istbesteuerung beantragen. Das geht in einem formlosen Schreiben ans Finanzamt, das für deine Umsatzbesteuerung zuständig ist.

Schreib einfach sowas in der Richtung:

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit beantrage ich die Istversteuerung gemäß § 20 UStG. Der Gesamtumsatz meines Gewerbebetriebs hat im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 Euro betragen.

Mit freundlichen Grüßen,

Vorname Nachname

Wenn du Freiberufler bist, kannst du dir das natürlich schenken, aber ich habe beispielsweise eine Freiberuflichkeit und einen Gewerbebetrieb. Warum das so ist und warum viele Schriftsteller*innen diese so genannte gemischte Tätigkeit haben, kannst du im Artikel zur gemischten Tätigkeit (Freiberuf + Gewerbe) nachlesen.

Ich hoffe, dieser Artikel hat alle Unklarheiten beseitigt.

Alles Liebe,

Kia



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