Aufhören, um aufzuhören: Ein Abschied.

von | 22.12.2019 | 2 Kommentare

Die letzten Monate waren nichts anderes als eine Vorbereitung auf das, was nun kommt. Nein, natürlich habe ich das nicht kommen sehen. Mit diesem Artikel schließe ich nicht nur das Jahr 2019 ab. Es ist kein Jahresrückblick. Dieses Jahr gibt es nur einen Schlussstrich.

Seit Mai habe ich eine große Veränderung kommen hören, doch alle Manifestationen dieser Ahnung erwiesen sich als Fehlinterpretationen. Erst seit heute kann ich klar sehen, was eigentlich los ist.

Ich schreibe diesen Artikel für mich und verwende eine Methode, für mich klarzukommen, die du gerne nachahmen darfst, wenn du magst.

 

Vier Abschlüsse für ein neues Jahr

Diesen Artikel schreibe ich für mich. Doch was ich auf meinem Blog veröffentliche, ist für die Ewigkeit, es ist wahrhaftig und zeigt mich verletzbar, also von einer Seite, die ich dem Internet schon lange entzogen habe.

Ich schließe 2019 in Form vierer Jahresabschlüsse ab:

  • Der buchhalterische und steuerliche Abschluss
  • Abgleich von Zielen und Chancen mit Ergebnissen und Erwartungen
  • Lösen von Blockaden und Ballast
  • Das Commitment (dieser Artikel)

 

Der Standard-Abschluss

Die buchhalterische Form des Jahresabschlusses ist logisch und einfach geklärt.

Ich bin Unternehmerin, wie jede andere hauptberufliche Autorin auch. Maßnahmen und Geschäftsvorfälle wie Messebesuche, Veröffentlichungen, Investitionen, Marketingkampagnen und so weiter müssen in regelmäßigen Abständen auseinandergenommen, auf ihre Resonanz untersucht und einer Analyse unterzogen werden, die schließlich in die Zukunft verweist.

Durch diesen Abschluss weiß ich, was sich finanziell, leidenschaftlich und zeitlich gelohnt hat, worein ich mehr investieren möchte und welche Verträge und Absprachen ich ab 2020 auflöse, um noch freier und mehr ich selbst zu sein.

Die neue Erkenntnis, die ich vorher schon gewusst habe: Ich weiß, wie das mit der Arbeit und dem Geld funktioniert, ich kann das.

Nutze deine Buchhaltung nicht einfach nur, um deine Steuererklärung abzugeben. Wenn du Autorin bist, schau dir genau an, wofür du was ausgegeben hast, wann du mit welcher Maßnahme welche Einnahmen erzielt hast.

Lerne, deine Buchhaltung zu lesen.

Egal, ob super-professionelle doppelte Buchhaltung oder Excel-Tabelle: Ein Jahr ist lang, und du darfst keine Angst vor Zahlen haben. Lies sie. Sind sie gleich? Wachsen sie? Schrumpfen sie? Gibt es Peaks, Hoch- und Tiefpunkte …?

Geh hierbei nicht nur auf die rein finanziellen Mittel, sondern auch auf andere Kennzahlen ein. Welche Kennzahlen sind wichtig? Follower? E-Mail-Abonnenten? Die Sparrate? Rezensionen deiner Werke? Blogartikel?

 

Der wichtige Abschluss

Der zweite Jahresabschluss ist der Abgleich von Zielen, die ich am 31.12.2018 in meinen Kalender geschrieben und später in mein erstes eigenes Bullet Journal übergeschrieben und durchgeplant habe.

Ich kann so viel sagen: Berufliche Ziele habe ich erreicht und sogar übertroffen. Da macht mir keiner was vor. Aber von meinen privaten Prioritäten A, B, C und D habe ich nur die Prio B erreicht. Priorität A, the one and only und reason to live, wenn man so will, habe ich vernachlässigt.

Nicht nur das: Systematisch habe ich dafür gesorgt, mir so viele Steine wie möglich in den Weg zu legen – mit großem Erfolg, denn ich habe es geschafft, permanent überfordert, unflexibel, geschäftig und hart an der Grenze zu sein, ohne ebendiese Grenzen sinnvoll zu erweitern oder zu trainieren.

Die neue Erkenntnis, die ich vorher schon gewusst habe: Das wirklich Wichtige geschieht ungeplant.  Immer.

Schau dir nicht einfach nur an, was du dir vorgenommen hast und ob und wie du deine Ziele erreicht hast. Bewerte aus einem anderen Blickwinkel. Willst du zum Beispiel zwei Bücher schreiben und hast stattdessen nur ein Buch geschrieben und bei einem Verlag untergebracht, ist dein Ziel nicht missglückt.

Jahresziele sind eine tricky Angelegenheit, ich verzichte so weit es geht auf sie und breche sie auf Quartalsziele herunter, denn in einem Jahr kann sich alles ändern. Ein gutes Angebot fällt vom Himmel, du lernst einen Menschen kennen, der nachhaltig Wellen schlägt und deine Prioritäten und Orientierung auf den Kopf stellt, etwa durch Kritik, neue Chancen oder weitere Kontakte und ein neues Umfeld – starre Jahresziele stehen dem im Weg. Jahresziele müssen flexibel sein, und diese Flexibilität musst du beim Jahresabschluss berücksichtigen.

Beurteile ein Ergebnis vom heutigen Standpunkt aus als erfolgreich oder nicht, nicht vom Standpunkt vom 01.01.2019 – denn das Vergangenheits-Ich von vor fast einem Jahr existiert nicht mehr. Vergangenheit ist nur die Erinnerung an etwas, das war. Die Vergangenheit existiert nicht in der Gegenwart.

Alte unerreichte Ziele kannst du jetzt hinterfragen: Sind sie dir wichtig? Entsprechen sie deinen Werten?

Gehst du sie nochmal neu an, und wenn ja, mit welcher Herangehensweise und warum eigentlich? Hier sind zwei Kniffe in einer Maßnahme enthalten, die zugleich 2019 abschließen und 2020 vorbereiten.

 

Der schmerzhafte Abschluss

Mein dritter Jahresabschluss war der Gipfel des Loslassens. 2019 habe ich mich von jeder Menge Ballast getrennt. Ich habe Projekte eingeschläfert, Freundschaften beendet, Materielles ausgemistet und den Weg freigemacht, damit ich meinen Kurs (neu) einstellen kann. Ich wusste das ganze Jahr über nicht, wohin die Nadel zeigt, da sich so viele Listen auf dem Schreibtisch türmten, dass ich den Kompass nicht sah. Heute habe ich mich den Themen gestellt, die ich verdrängen wollte, die mich aber wie passiv-aggressive Goldfische belästigt und blockiert haben. Sorry an alle Goldfischliebhaberinnen, aber für mich sind sie perfekte Symbolbilder ungelöster falscher Überzeugungen, aufgeschobene Konflikte und sonstiger Energiesauger, die wir ignorieren, verdrängen oder kompensieren. Goldfische schwimmen vor sich hin, sie sind da, sie sind leise, kontant, machen keine Pause und wachsen ein Leben lang. Jedenfalls sind meine Fische jetzt weg.

Die neue Erkenntnis, die ich vorher schon gewusst habe: Loslassen tut weh.

Uff. Alles in mir sträubt sich, hier diesen “Was du für dich mitnehmen kannst”-Kasten zu schreiben, denn Ballast und Blockaden sind die intimsten und persönlichsten Themen, die ein Mensch haben kann. Denn: Es sind Themen, Überzeugungen, das Innerste.

Ein Auszug der Themen, die ich bearbeitet und für mich gelöst, zum Teil verabschiedet, zum anderen neu belegt habe: Angst vor Fortschritt, Angst vor Erfolg, Verlustangst, Akzeptanz meiner Selbst, Loslösen von der Vergangenheit, Erwartungen, Rhythmus, Routine, Gestaltung, Grundwerte, Angst vor der eigenen Stimme, Akzeptanz und Anerkennung von außen, Fehlendes Selbstvertrauen, Mutlosigkeit, Genugsein.

 

Der Meta-Abschluss

Dinge, die ich weiß, aber nicht tue, sind in meinem Alltag omnipräsent. Das wünsche ich niemandem. Etwas besser zu wissen und anders zu machen, ist hässlich und furchtbar. Es ist Albert Einsteins Definition von Wahnsinn, die kennst du sicherlich.

In 2019 habe ich 2.470 Stunden und 35 Minuten gearbeitet. Mein guter Vorsatz für das Jahr 2017, 2018 und 2019 war jeweils: “weniger arbeiten”. Das habe ich auch geschafft, immerhin hatte ich sechs Wochen Urlaub, geplant waren allerdings zehn, und an Arbeitsstunden kann man auch noch drehen. Doch das ist der falsche Ansatz, das war er bereits in den vergangenen drei Jahren. Ich habe keine Lust auf eine vierte Version des gleichen Films.

Aber warum sollte ich weniger arbeiten? Ich liebe nichts mehr als meine Arbeit.

Was heißt “weniger arbeiten”? Auch weniger Geld zu verdienen? Mein Team verkleinern? Mehr Zeit mit … was? … zu verbringen?

Was ist eigentlich Arbeit? Herzensprojekte schreiben? Kunden begeistern und glücklich machen? Listen schreiben und pro abgehaktem Punkt Erfolgserlebnisse genießen? Pläne aufstellen und durchorganisiert funktionieren?

Zusammengetragene Erkenntnisse:

  1. Ich weiß, wie das mit der Arbeit und dem Geld funktioniert, ich kann das.
  2. Das wirklich Wichtige geschieht ungeplant. Immer.
  3. Loslassen tut weh.

Welche Erkenntnisse stecken hinter deinen Erkenntnissen? Lebst du bereits, was du weißt? Oder ist da etwas, was dir in der Meta-Ebene bisher entgangen ist?

Vielleicht hast du wie ich direkt vor Augen, was über Monate oder Jahre zusammenhanglos, klein und vielleicht sogar bedeutungslos erschien, jetzt aber plötzlich Sinn ergibt. Womöglich hilft es dir, deine Flugroute um ein halbes Grad anzupassen.

Warum höre ich nicht einfach auf?

Wenn ich aufhöre zu planen, lasse ich los. Das tut weh, denn die Sicherheit, die mir das organisierte Business-Leben gibt, das ich führe, ist mir sehr viel wert, jedoch macht sie mich unflexibel. (Erkenntnis 3)

Wenn ich aufhöre zu planen, haben die wirklich wichtigen Dinge mehr Chance, zu geschehen und zu wirken. (Erkenntnis 2)

Wenn ich aufhöre zu planen, kann ich jederzeit zurückkehren und alles wieder aufbauen, sollte, was immer ich versuche, nicht funktionieren. (Erkenntnis 1)

 

Bock auf einen Abschied

Also: Warum höre ich nicht einfach auf?

Ich lasse emotionale Abhängigkeit nicht mehr zu, weder von Energievampiren mir gegenüber, noch von Freunden, die ich idealisiere und denen ich nachstrebe.

Ich verabschiede mich von allem Rumgecoache von außen, denn ich werde immer besser, je freier ich von Coaching, Training und Selbstoptimierung bin. “Coach mich nicht von der Seite an”, das habe ich schon einige Mal sagen müssen, vor allem in meinem sozialen von Start-Up-Gründerinnen dominierten sozialen Umfeld vor Ort. Ich brauche keine Impulse.

Ich will nicht reich werden. Nicht lernen, wie man 200 € am Tag verdient, ich will keinen Sales-Funnel und keine E-Mail-Listen, die ich kalkuliert melken kann. Ich will kein Online Business, in welchem ich jemandem vorgaukele, ich wolle ihn oder sie weiterbringen. Ich will kein passives Einkommen, um Geld zu verdienen ohne etwas dafür zu tun. Das funktioniert so eh nicht.

Ich brauche keine Networking-Veranstaltungen, um Leute kennenzulernen, die ich irgendwie weiter verwerten und in die Nahrungskette eines Vitamin-B-Komplexes aufnehmen kann.

Ich lasse all die Listen und Pläne los, ich verabschiede mich von einem Leben, in dem die wahren Prioritäten nicht zählen. In dem die Vergleichbarkeit ein Richtwert des Erfolgs ist.

Ich lege Zahlen ab. Reichweite, Follower, Interaktionsraten, Leserzahlen suchmaschinenoptimierter Blogartikel, Google-Ranking-Platzierungen – sie alle dienen nichts anderem als Vergleichen. Wozu braucht man das noch gleich?

Und nicht zuletzt lege ich die Scham ab. Scham dafür, dass ich Werten wie Egoismus, Einfluss oder Leichtigkeit in meinem Leben Priorität gebe. Natürlich bin ich egoistisch, schließlich möchte ich mein Leben auf die Reihe kriegen, will, dass mein Dasein irgendwann irgendwo Wellen schlägt. Ich muss nicht “selbst” und “ständig” arbeiten, um meine Arbeit irgendwie mit Ach und Krach als “echten Beruf” durchzukriegen. Mich nicht schämen, wenn ich auch mal samstags frei mache.

Löse dich von allem, was dir nicht entspricht. Nimm nichts mit ins neue Jahr, was dich klein, unauthentisch, unglücklich, unbalanciert, festgefahren, frustriert, abhängig oder belastet macht. Du brauchst es nicht. Und wenn doch: Nichts ist unwiderruflich.

 

Ich habe Bock auf einen Abschied, und deshalb mache ich ihn und mache ihn auch öffentlich: Ich verabschiede mich von all den Einflüssen und ungefilterten Hilfsmitteln, die ich in mein Leben gelassen habe, um dem nachzujagen, was andere als Erfolg oder Glück definieren. Der Abschied gilt auch allen Plänen, die dazu dienen, den unberechenbaren Witterungen der Realität zu entgehen.

 

Ich bin Kia, 25 Jahre und 363 Tage alt.

Ein Kapitel meines Lebens geht zu Ende. Dieses Kapitel meines Lebens hieß “Prioritäten”.

Ich habe herausgefunden, was ich wirklich will und was mir nicht wichtig genug ist. Ich habe gelernt loszulassen und einen entschiedenen Schritt in eine neue Richtung zu gehen.

Ein neues Kapitel beginnt.

Dieses Kapitel meines Lebens beginnt in genau dieser Sekunde. Es trägt den Namen Selbstermächtigung.

Guten Rutsch!

Alles Liebe,

Kia



2 Kommentare

  1. Cathy

    Wow, Kia. Was für ein toller Artikel. Ich weiß, das war nicht der Sinn dahinter, aber trotzdem motiviert er mich, DU mich, wenn ich das so lese.
    Ich finde es toll für dich, dass du dieses Jahr so viel für dich und in dir klären konntest. Das ist wichtig und so oft gerät es unter die Räder. Wunderbar all die Erkenntnisse die du für dich ziehen konntest und den Ballast, den du ablegen konntest. Den Ballast zu erkennen und ihn abzulegen – eine der schwersten Aufgaben. Nicht einfach, gar nicht einfach.

    “Beurteile ein Ergebnis vom heutigen Standpunkt aus als erfolgreich oder nicht, nicht vom Standpunkt vom 01.01.2019 – denn das Vergangenheits-Ich von vor fast einem Jahr existiert nicht mehr. Vergangenheit ist nur die Erinnerung an etwas, das war. Die Vergangenheit existiert nicht in der Gegenwart.”
    Eine Tatsache, die ich immer wieder verdränge und es mir damit so schwer mache. Eine Tatsache, die mich immer wieder melancholisch stimmt, weil es eigentlich auch schade ist, dass das Vergangenheits-Ich nicht mehr existiert. Nicht, weil das Zukunfts-Ich nicht genauso toll, oder sogar toller wäre, aber ich hänge dem immer sehr lange nach. Viel zu lange. Meine Erkenntnis aus deinem Artikel.

    Um Hector zu zitieren: “Vergleiche anzustellen ist ein gutes Mittel, sich sein Glück zu vermiesen.” Und Recht hat er!
    In diesem Sinne wünsche ich dir, dass dein neues Kapitel ganz wunderbar wird und gut läuft für dich. <3

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  2. Nicole

    Ein sehr schöner Beitrag zum Jahresende. Für 2020 wünsche dir nur das Beste und dass du die Dinge, die du am Ende schreibst erfolgreich umsetzt. Das ist nämlich alles wichtig, aber gar nicht so einfach. Vor allem bei dem Satz; Dinge, die ich weiß aber nicht tue, hast du mir aus der Seele geschrieben. So geht es mir auch. Jeder von uns trägt ja so seinen emotionalen Ballast mit sich rum, das wird auf einem Blog nicht unbedingt sichtbar, aber ich kenne meinen auch nur zu gut. Aber manchmal ist es nicht so leicht, dass dann auch sofort zu ändern. Man sagt es sich zwar immer, aber verfällt dann doch in alle Muster.

    Dankeschön für dein liebes Kommentar Kia und tut mir Leid, dass die Antwort nun so spät kommt. Aber der Dezember war leider ein ziemlich stressiger Monat für mich, sodass der Blog die zweite Geige spielen musste :/.

    Das tut mir Leid zu hören, dass du die Leute in deinem Umkreis alle eher als Bekannte, als als Freunde bezeichnen würdest. Ich hoffe, du hast da trotzdem jemand, mit dem du mal über Dinge reden kannst, die dich belasten oder der zuhört, wenn es dir schlecht geht.

    Dann hast du echt Glück, dass du das noch nicht gehört hast, dass Männer und Frauen nicht befreundet sein können. Mein Bester Freund ist schon seit 27 Jahren an meiner Seite und wir wurden mit dem Vorurteil oft konfrontiert, viele gehen auch bis heute davon aus, dass wir ein Paar sind.

    Das mit der Identifikation: Natürlich kann es da Ausnahmen geben. Wissenschaftlich ist das aber in der Tat belegt, dass diese “parasozialen Beziehungen” häufig existieren, ein ganz normaler Prozess beim Erwachsenwerden sind und man sich an solchen Beziehungen und auch Handlungen der Figuren orientiert. Ist ein spannendes Thema, da gibt es auch viel Literatur dazu, falls dich das interessiert.

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