Ich habe ein Experiment gemacht. In sieben Tagen wollte ich sieben Kurzgeschichten schreiben. Am Ende dieser Projektwoche betrachtete ich das Experiment als gescheitert. Dem ist aber inzwischen nicht mehr so. Welche Erkenntnisse mir das Projekt geliefert hat und warum ich es jederzeit wiederholen würde, erkläre ich euch in diesem Artikel.
Wie kam ich auf die Idee, sieben Kurzgeschichten in sieben Tagen zu schreiben? Nun, das ist recht einfach. Ich habe mir Urlaub gewünscht, konnte aber unter anderem wegen des anstehenden Crowdfundings zu Hanover’s Blind keinen Urlaub nehmen. Also wollte ich mich der Arbeit an Projekten wie „Der Abschalter“ und „Zwei Seelen“ entledigen und mal etwas anderes machen. Etwas, was schon lange ganz unten auf der To-Do-Liste versauert und keinerlei Priorität hat.
In meinem Plot-Ideen-Buch, das ich liebevoll „Hasenstall“ getauft habe, befanden sich zufälligerweise sieben Ideen. Diese sieben Kurzgeschichten hatten weitestgehend Titel und vollständige Plots gemäß der Sieben-Akt-Struktur. Ungeachtet der voraussichtlichen Länge wollte ich einfach jeden Tag Kurzgeschichten schreiben, eine Woche lang. Ob sie dabei nur 100 Worte, 1000 Worte oder gar 10.000 Worte lang werden, wollte ich auf mich zukommen lassen. Die Idee war simpel, also startete ich am 07. Mai das Projekt: „7 Tage, 7 Kurzgeschichten“.
Meine Erwartungen an das Kurzgeschichten-Projekt
Natürlich geht ein Schriftsteller nicht völlig ohne Erwartungen an ein Projekt wie dieses. Ich habe bewusst sämtlichen Plotbunnys eine Chance gegeben, da diese nicht aus meinen üblichen Genres, den Entwicklungsromanen und den Utopien kommen. Unter den Plotbunnys gab es eine Liebesgeschichte, ein bisschen Horror, eine Dystopie, krasse Science Fiction und – nun gut, wie könnte es anders sein – eine Utopie. Aber auch Fantasy hat sich in mein Ideenbüchlein geschlichen.
Nun bin ich ein sehr wählerischer Leser. Ich lese nur, was mir passt. Also: Science Fiction ohne Raumschiffe, Dystopien bevorzugt ohne Apokalypse, Utopien mit möglichst viel künstlicher Intelligenz. Und Entwicklungsromane ohne Liebe. Das ist recht beschränkt, obwohl ich genug Lesefutter auf dem Markt finde und auch mal Ausnahmen mache, die mich schließlich nicht enttäuschen.
Dennoch habe ich das Gefühl, die Literatur da draußen ist mehr. Ich verabscheue Krimis, pure Liebesromane und Standard-Fantasy mit Drachen und Mittelalter-Setting. Kann ich überhaupt nicht leiden. Aber vielleicht, wenn ich eine Kurzgeschichte aus dem Genre schreibe, merke ich, dass es mir vielleicht doch liegt? Ich stellte mir also ganz konkret die Frage: Was, wenn ich das Genre gar nicht zum Kotzen finde, nur bisher schlechte Beispiele in die Finger bekommen habe?
Ich möchte toleranter und aufgeschlossener sein, und wer weiß, vielleicht verbirgt sich in mir drin doch noch eine Leidenschaft für Krimis? Vielleicht ohne Mord, dafür aber Hacking, Datenschutzklimbims oder Cybermobbing, DarkNet-Zeug oder so. Also wollte ich „Sieben Tage, Sieben Kurzgeschichten“ auch dazu nutzen, meine eigenen Vorlieben zu prüfen und gegebenenfalls neue Genre-Liebeleien zu entdecken.
Herausforderungen im Kurzgeschichten-Projekt
Was sich ganz klar als allererste Herausforderung im Kurzgeschichtenprojekt herausstellte: Die Zeit! Ich hatte nicht genug Freiräume, um mich wirklich den Kurzgeschichten zu widmen. E-Mails wollten beantwortet werden, ein Pressetermin stand an, Interviews mussten gegeben werden und ich habe neben dem Team-Aufbau für den Blog „Show, don’t Tell“ auch noch den Buchensemble-Außendienst im Kalender stehen gehabt. Auch, wenn ich brotjobmäßig alle Fristen eine Woche zu früh abgearbeitet habe, um Zeit zum Kurzgeschichten schreiben zu haben, konnte ich nicht so viel Zeit investieren, wie es eigentlich geplant war.
Der Montag lief hervorragend. Ich schrieb an nur einem Tag die komplette Geschichte „Nebelgeist“. Über 4.600 Worte blanken Horrors, mehr oder weniger gut, kann ich nun zu meinem unüberarbeiteten Kurzgeschichten-Repertoire zählen.
Am Tag 2 fügte ich Nebelgeist noch das (eher maue) Ende hinzu. Dann rief auch schon mein Grundschul-Job, und abends hatte ich bei fast 30 °C keine Motivation und Konzentration mehr. Ich fürchtete schon, dass das Projekt scheitern würde.
Am dritten Tag rang ich mich dazu durch, die zweite Kurzgeschichte anzugehen. Dreamcrash. Ich machte mich an den Plot und verwarf ihn wieder. Dann wollte ich die Bienen-Kurzgeschichte (Zukunft: Bienen sind ausgerottet, wie leben die Menschen dann?) fertig plotten und auf Papier bringen, aber die Ideen von Dreamcrash sind immer wieder eingeflossene und haben den dystopischen Plot zu utopisch gemacht. Der dritte Tag meiner Kurzgeschichten-Projektwoche verlief letztlich auch ergebnislos.
Am vierten Tag, es war Donnerstag, brachte ich dann „Bis die Tage“ zu Papier. Zwei hundertjährige Freunde treffen sich nach fast siebzig Jahren wieder. Worüber sprechen sie? Wie begegnen sie sich? Oh je… Ich muss gestehen, diese Kurzgeschichte ist ein kleines Meisterwerk gefunden. Das offene bzw. zweideutige Ende gefällt mir sehr, und ich habe mit einem relativ guten Schreibstil tolle Andeutungen und Geheimnisse in diese Geschichte gelegt. Ich bin sehr zufrieden mit mir! Tag 4 geht zu Ende und Geschichte 2 ist mit knackigen 1.250 Wörtern vollendet.
Ab dem fünften Tag empfand ich den gesamten Hasenstall als Mist. Keine Plotidee konnte mich reizen. Dreamcrash flog durch meinen Kopf und waberte ständig im Raum umher. Ich versuchte immer wieder, diese Kurzgeschichte zu schreiben, dessen Idee ich so gut finde, dass alle anderen Ideen blöd erschienen. Aber es klappte nicht. Entwurf, Verwurf. Idee, Adé. Oder so. Whatever.
Am Ende des Kurzgeschichten-Projekts habe ich eingesehen, dass ich gescheitert bin. In sieben Tagen habe ich nur zwei Kurzgeschichten verfasst. Alle anderen Ideen funktionierten einfach nicht. Ein entsprechender demotivierter Instagram-Beitrag schloss das Projekt ab.
Ich bin nicht gescheitert!
Ein paar Tage nach dem Kurzgeschichten-Projekt ließ mich Dreamcrash nicht los. Und inzwischen weiß ich auch, was bei „Sieben Tage, Sieben Kurzgeschichten“ das Problem war: Dreamcrash ist mein nächstes Großprojekt!
Die Idee gefällt mir so gut, dass ich die anderen nicht umsetzungswürdig finde. Das ist die beste Voraussetzung, um das nächste Buchprojekt in Angriff zu nehmen! Wenn „Zwei Seelen“ vollendet ist, setze ich mich gleich ran. Das Plot-Problem hat sich auch gelöst: Diese Geschichte braucht mehr Raum, um sich voll zu entfalten und ein komplettes Ganzes zu werden. Ich bin total begeistert von dieser Idee und freue mich extrem auf die Umsetzung.
Daher betrachte ich mein Kurzgeschichtenprojekt nicht als gescheitert: Was schreibenswürdig war, habe ich umgesetzt. Dabei habe ich das Schreiben von Dialogen geübt und mit „Bis die Tage“ eine Kurzgeschichte geschrieben, die ausschließlich aus einem Dialog besteht. Das Genre Horror macht mir Spaß zu schreiben. Gerade der Anfang und das Mysteriöse, aber auch das Schreckliche und psychisch Zerstörende, all das liegt mir sehr gut. Mit dem Schluss bzw. der Auflösung hadere ich noch, da muss ich noch viel üben. Aber wenn ich „Nebelgeist“ überarbeitet haben werde, wird daraus ein schmuckes Horror-Kurzgeschichten-Debüt.
Und dann ist da noch Dreamcrash. So eine gute Idee. Ich will kaum etwas verraten, da die Idee so jung ist und ich Sorge habe, dass sie mir jemand klaut. So sehr war ich noch nie von etwas überzeugt (abgesehen vom Abschalter, den ich mit Florian Eckardt zusammen schreibe). Was will man mehr von einer Woche, in denen man sich sieben Tage fast ausschließlich seinen ruhenden Ideen widmet?
Ich bin zufrieden.
Fazit aus dem Kurzgeschichtenprojekt
Ich hoffe, du kannst etwas aus diesem Artikel mitnehmen. Manchmal sind die Ergebnisse eines Vorhabens nicht die, die wir uns erwünschen. Und statt ein Projekt sofort als gescheitert zu betrachten, kannst auch du vielleicht durch eine leicht veränderte Perspektive mehr Gewinn an der Sache erkennen, als wirklich da war. Ich habe mein Repertoire um zwei gute, wenn auch nicht perfekte, Kurzgeschichten erweitert, habe das Genre Horror für mich entdeckt und ein neues Großprojekt (Utopie, ca. 400 Seiten) ist entstanden. Passiert dir etwas ähnliches, kann es unglaublich befreiend wirken, dankbar zu sein und Stolz für ein Ergebnis zu entwickeln, mit dem man nicht gerechnet hat.
Wie sieht’s bei dir aus? Hast du auch schon einmal so ein Kurzgeschichtenprojekt gemacht? Habe ich dich dazu inspiriert, es auch einmal zu wagen? Erzähl mir von deinen Erfahrungen unten in den Kommentaren!
Alles Liebe,
Kia
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