Nachruf an mein Buch – Rückzug vom Verlag?

von | 25.08.2018 | 0 Kommentare

Ich habe ein Buch geschrieben. Es heißt “Irre sind menschlich” und liegt seit der Zusage meiner Verlegerin in ihrem Kleinverlag. Zugegeben, ihre Zusage war wie eine Absage formuliert, hat sie doch “wir können dein Buch nicht in diesem Jahr verlegen” geschrieben. Aus 2018 wurde 2019, und hier sind wir also: Bei einem Psychiatrie-Roman, dessen Protagonist eine Psychose bekommt. Ein Buch, das mehrere Verlagszusagen und einige Verhandlungen haweltette, bis ich mich dann für den einen entscheiden konnte. Und jetzt geht alles auf Anfang. Ich schreibe “Irre sind menschlich” neu.

Ich bin nicht zu selbstkritisch.

Ich bin nicht nur nicht zu selbstkritisch, ich bin nicht selbstkritisch genug! Wie konnte ich so ein Buch nur an den Verlag schicken, frage ich mich immer mal wieder. Aber da ich den Verlag beim Verlagsspeeddating kennengelernt habe und mein Debüt “Die Krankheitensammlerin” damals noch kein Jahr alt war, kann ich mein Vergangenheits-Ich verstehen.

Das Schreiben hat Spaß gemacht, das Überarbeiten war eine Qual. Zwischendurch hatte ich den Durchblick beim Plot verloren und musste mit meinem manischen Alois und seiner Geschichte zum Plotdoktor. A propos Doktor: Alois und Lisa, um die es in “Irre sind menschlich” geht, habe ich bei Matthias Ernst therapiert. Klingt komisch, ist aber ziemlich cool. Dieser Autorenkollege schreibt ziemlich interessante Krimis und hat beruflich schon einmal als Psychologe in einer Psychiatrie gearbeitet.

Ich war also mit meinen Charakteren beim Psychologen und habe über Skype über deren Probleme und Hintergründe gesprochen und die Diagnosen abgeklärt: Können sie die Diagnose haben? Kann dieses Symptom auftreten? Was passiert, wenn sie ihre Medikamente nicht nehmen?

In all diesen Fragen war ich sehr penibel, und was die Charakterentwicklung angeht, ist “Irre sind menschlich” ein toller Entwicklungsroman. Dennoch war ich nicht selbstkritisch genug.

 

Nachruf an mein Buch

Ich schreibe gerne und viel. Ich lebe vom Schreiben, mache quasi nichts anderes (außer Marketing, Buchhaltung, Lektorat, Korrektorat, Coaching und das Leben außerhalb meiner Bürowände). Und da kommt es schon einmal vor, dass man ein Brett vor dem Kopf hat. Ich will nicht sagen, ich sei die letzten Monate, in denen ich “Irre sind menschlich” überarbeitet habe, komplett betriebsblind gewesen, aber ich hatte das Buch satt. Es sollte schnell vorbei sein. Ich mochte nicht mehr.

Zum Vergleich: Hanover’s Blind habe ich mehrmals überarbeitet und hatte selbst nach dem Alphaleserfeedback und nach dem Lektorat noch Bock auf das Buch und lese es aktuell (in gedruckter Version) Korrektur. Für die allerletzten zwei Tippfehler auf 188 Seiten, meine ich.

Die Krankheitensammlerin mache ich derzeit auch neu. Hier macht das Überarbeiten ebenfalls Spaß, und ich weiß, wo es hingehen soll.

Bei “Irre sind menschlich” wusste ich nicht, wo es hingehen soll. Es war, als hätte ich keine Ahnung, wie ein gutes Buch eigentlich klingt. Und dann kam der Juli. Florian hat bei einer Buchhandlung ein Mängelexemplar von “Nachruf auf den Mond” gefunden und mir ins Blickfeld gehalten, als ich mit anderen Büchern geliebäugelt habe. Ich las den Klappentext, verliebte mich, wurde umgehauen – und beschloss, “Irre sind menschlich” einzustampfen.

Das ist natürlich voreilig, und unter’m Strich lautet mein Urteil anders: Ich werde “Irre sind menschlich” neu schreiben. Alles, was extrem schlecht ist, kommt weg und wird neu gemacht. Alles, was nur so mittel-meh ist, wird so lange überarbeitet, bis es annähernd so gut ist wie “Nachruf auf den Mond”. An diesem Buch stimmt alles: Der Schreibstil, die Dialoge (oh weh, Dialoge! Ich und Dialoge!), und vor allem: Die Symptome.

Der Plot von meinem Buch ist ziemlich gut. Er ist kaum mit Nathan Filers Werk vergleichbar, aber es gibt einen entscheidenden Unterschied: Durch mein persönliches Umfeld habe ich einige Erfahrungen mit Psychosen und Psychiatrien. Ich habe mein gesamtes Buch so formuliert, als ginge ich davon aus, dass der Leser weiß, was ich weiß. Für Nichtswissende, die ich mit meinem Roman an das sehr wichtige Thema der Psychose heranführen will, ist “Irre sind menschlich” eine verhältnismäßig leere Geschichte.

Ich könnte diese Liste unendlich ausführen, aber das wird für dich, meinen Blogleser, wohl nicht so interessant, da du mein Manuskript nicht gelesen hast. Ich fasse es mal zusammen:

“Nachruf auf den Mond” ist das, was “Irre sind menschlich” hätte werden sollen.

 

Meine Rezension zu “Nachruf auf den Mond” von Nathan Filer kannst du beim Buchensemble lesen.

 

Wie es weitergeht

Derzeit arbeite ich an sechs Blogs, drei davon brotjobmäßig. Dazu kommt Hanover’s Blind (Artikel mit Bezug zum Crowdfunding folgt), was gerade frisch der Druckerei entsprungen und sich als Fehldruck erwiesen hat. Der Abschalter ist in seinem ersten Entwurf in den letzten Zügen, und Dreamcrash ist soweit geplottet, dass es nach Plan in zwei Wochen losgeht. Ich will “Irre sind menschlich” neu machen. Aber wann? Die Krankheitensammlerin kommt im Oktober ebenfalls als neue Version raus, und “Zwei Seelen” ist ebenfalls bei 75 % des Erstentwurfs. (Merkt man, warum ich nicht mehr so viel Zeit zum Bloggen hatte?)

In der nächsten Zeit werde ich mich verstärkt dem Überarbeiten widmen. Und keine weiteren Projekte anfangen. Im Brotjob habe ich mir jetzt jemanden eingekauft, der einen Teil meiner Arbeit erledigt. Konkret gesagt: Einen der drei Blogs. Es fallen für mich circa 50 Artikel weg, die ich bis Dezember hätte schreiben müssen. In dieser Zeit arbeite ich intensiv am Schreiben – und damit meine ich Überarbeiten!

Ich kündige also hiermit an, dass “Irre sind menschlich” noch eine Weile dauert.

Gute Weine lagern lang.

UPDATE: Und hier die Reaktion meines Verlags:

 

Was für dich wie eine reine Information mit etwas Storytelling wirkt, ist für mich der größte Schritt, den ich in meiner Autorenkarriere je gewagt habe. Überwindung ist echt nicht leicht. Wie sieht’s bei dir aus? Musstest du dir schon einmal so etwas Großes eingestehen? Hast du schon einmal eine solch große Überwindung hinter dich bringen müssen? Erzähl’ es mir in den Kommentaren.

Alles Liebe,

Kia



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