Kennst du dein Stundenhonorar als Selbstständige*r? Nimmst du das, was die anderen so nehmen oder schätzt du das Stundenhonorar bei jedem Auftrag neu ab? Vielleicht orientierst du dich auch an branchenüblichen Stundenhonoraren und ordnest dich irgendwo in der Mitte ein.
Diese Herangehensweisen sind meiner Meinung nach nicht die Richtigen. An erster Stelle sollte zur Berechnung deines Stundenhonorars stehen, was du verdienen willst. Denn das ist deine Leistung wert.
Einkommensteuer-Brutto ermitteln
Dieser Artikel richtet sich an Dienstleister. Ich weiß, dass diese Blogreihe „Autoren an die Steuer“ heißt, aber seit ich mit dem „Auto(r)preneur“-Podcast auch immer mehr buchnahe Selbstständige erreiche und mein Blog von Coverdesignern, Grafikerinnen, Lektoren, Korrektorinnen, Verlegern, Agentinnen und weiteren Dienstleistern gelesen wird, möchte ich hier gerne auf das Dienstleister-Stundenhonorar eingehen. Eine weitere Notiz vorweg: Wir rechnen zunächst immer auf Jahresbasis.
Was willst du verdienen?
Zunächst stellst du dir die Frage, welches Bruttogehalt du verdienen möchtest. Vom Bruttogehalt geht in dieser Kalkulation nur die Einkommensteuer weg. Du kannst dich dabei an deinen persönlichen Ausgaben und deinem Lebensstandard orientieren, aber auch an deinem Angestellten-Gehalt, das du vor Aufnahme deiner Selbstständigkeit verdient hast. Angenommen, du hast drei, vier Jahre Berufserfahrung und früher 2.500 Euro brutto bei einem Arbeitgeber verdient und hast etwa 1.700 Euro netto ausgezahlt bekommen. Du möchtest dieses Geld auch als Selbstständiger monatlich erhalten.
Diese Zahl ergibt mit 12 multipliziert ergibt 20.400 Euro, die du netto im Jahr erhalten möchtest.
Das zu versteuernde Einkommen
Diese Summe ist dein jährliches Netto. Um zu ermitteln, wie viel „zu versteuerndes Einkommen“ (zvE) sich aus diesem Nettobetrag ergibt, kannst du in die Einkommensteuer-Grundtabelle (für Unverheiratete) gehen und den richtigen Betrag für dich ermitteln. Wenn du in Mathematik gut warst, kannst du auch die Formeln zur Berechnung der Einkommensteuer umstellen und den Betrag exakt ermitteln.
§ 32a EStG: Einkommensteuertarif
(1) Die tarifliche Einkommensteuer bemisst sich nach dem zu versteuernden Einkommen. Sie beträgt im Veranlagungszeitraum 2021 vorbehaltlich der §§ 32b, 32d, 34, 34a, 34b und 34c jeweils in Euro für zu versteuernde Einkommen
- bis 9 744 Euro (Grundfreibetrag):
0;- von 9 745 Euro bis 14 753 Euro:
(995,21 · y + 1 400) · y;- von 14 754 Euro bis 57 918 Euro:
(208,85 · z + 2 397) · z + 950,96;- von 57 919 Euro bis 274 612 Euro:
0,42 · x – 9 136,63;- von 274 613 Euro an:
0,45 · x – 17 374,99.Die Größe „y“ ist ein Zehntausendstel des den Grundfreibetrag übersteigenden Teils des auf einen vollen Euro-Betrag abgerundeten zu versteuernden Einkommens. Die Größe „z“ ist ein Zehntausendstel des 14 753 Euro übersteigenden Teils des auf einen vollen Euro-Betrag abgerundeten zu versteuernden Einkommens. Die Größe „x“ ist das auf einen vollen Euro-Betrag abgerundete zu versteuernde Einkommen. 6Der sich ergebende Steuerbetrag ist auf den nächsten vollen Euro-Betrag abzurunden.
Ich nähere mich in dieser Kalkulation ganz gerne mit der Grundtabelle an. Bei einem zvE von 20.000 Euro beträgt die Einkommensteuer nach der Grundtabelle 2.266 Euro im Jahr 2021. Also müssen wir ein zvE von etwas mehr als 23.000 Euro suchen, um das zu finden, das netto die gewünschten 20.400 Euro ergibt.
Du findest die Grundtabelle unter https://einkommensteuertabelle.com.de/#index.php.3.
Dieser Tabelle entnehme ich bei den angedachten 23.000 Euro eine Steuerlast von 3.069 Euro – da wird das Netto unter 20.000 Euro liegen. Bei 24.000 Euro zu versteuerndem Einkommen sieht das schon anders aus: Mit einer Steuerlast von 3.346 Euro bleibt ein Netto von 20.650 Euro übrig. Anhand der Angaben in der Tabelle habe ich nun herausgefunden, dass du ein zu versteuerndes Einkommen von 23.650 Euro benötigst, um ein zu Netto-Einkommen von 20.402 Euro im Jahr zu erzielen. Das ist nah genug dran, also rechnen wir mit dieser Zahl weiter.
Sozialversicherung und Altersvorsorge draufrechnen
Auf diese 23.650 Euro müssen wir nun die Krankenversicherung draufrechnen. Diese ist in Deutschland Pflicht, und zum Grundbeitrag der Krankenversicherung gehört auch der Zusatzbeitrag und die Pflegeversicherung.
Gesetzliche Krankenversicherung vs. Künstlersozialkasse
Du kommst mit einem Schätzwert von 20 % für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung hin. Wenn du in der Künstlersozialkasse bist, solltest du hier mit 25 % rechnen. Die KSK erscheint hier teurer, enthält aber auch die Arbeitslosen- und Rentenversicherung und zahlt die Arbeitgeber-Teile. Die 20 % für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung deckt nur Kranken- und Pflegeversicherung ab.
Wir multiplizieren also die 23.650 Euro mit 1,2, um 20 % draufzuschlagen. Das Ergebnis sind 28.380 Euro.
Altersvorsorge: Vermögensaufbau
Darauf solltest du unbedingt noch 10 % aufschlagen, damit du deine Altersvorsorge bestreiten kannst. Welches Modell du da wählst und wie du dein Geld anlegst – ob Aktiendepot, ETF, Rohstoffe, Cryptowährungen oder eine gesunde Streuvariante – ist deine Sache und nicht Thema des Artikels.
Wir kommen jetzt auf (28.380 * 1,1 =) 31.218,00 Euro, die du im Jahr für dich verdienen musst, um 1.700 Euro netto im Monat zu erhalten.
Wie viele Tage arbeitest du?
Nun lassen wir die Finanzen kurz ruhen und konzentrieren uns auf die Arbeitszeit. Wie viel arbeitest du?
Ein Kalenderjahr hat 365 Tage, aber sicherlich möchtest du nicht jeden Tag arbeiten. Es hängt hier nicht nur am „möchten“ – es ist nicht gesund und Pausen laden den kreativen Geist wieder auf.
Wöchentlicher Ruhetag
Angenommen, du machst einen Tag in der Woche frei, etwa jeden Sonntag, dann ziehst du schonmal 52 Tage von diesen 365 Tagen ab.
Feiertage & Urlaub
Von den übrig gebliebenen 313 Tagen gönnst du dir noch ein paar Feiertage, sagen wir, es sind in deinem Bundesland 10 Feiertage. Du wünschst dir zusätzlich 40 Urlaubstage, die du frei nehmen kannst. Aus den 313 Tagen werden nun (313 – 10 – 40 =) 263 Tage.
Krankenstand
Zusätzlich abziehen solltest du deinen geschätzten Krankenstand. Ich bin im Durchschnitt zwei Tage im Jahr krank, rechne aber immer mit zehn Tagen. Es kann immer mal was sein. Wenn du ein Kind hast, bei dem du dir freinehmen musst, wenn das Kind krank ist, sollte der Krankenstand natürlich noch höher sein.
Ich komme mit 10 Tagen Krankheit auf 253 Arbeitstage im Jahr.
Fortbildung
Hinzu kommen Weiterbildungsmaßnahmen und Geschäftsreisen. Als Selbstständiger, und vor allem als selbstständiger Dienstleister, solltest du immer auf dem neusten Stand sein. Sagen wir mal, du bist 4 Tage im Jahr auf der Leipziger Buchmesse, 4 Tage auf der Frankfurter Buchmesse, nimmst an 2 Tagen an Literaturcamps teil und buchst zwei Mal im Jahr ein 5-Tages-Seminar in deinem Spezialgebiet. Das macht 20 Tage, die du mit Geschäftsreisen verbringst und auf denen du deinen Kund*innen keine Dienstleistung abrechnen kannst.
Jährliche Arbeitstage
Insgesamt komme ich in dieser Beispielrechnung also auf 233 Arbeitstage im Jahr.
Betriebsausgaben
Kommen wir wieder auf die Geld-Seite der Stundenhonorar-Kalkulation. Welche Kosten fallen in deinem Betrieb an?
Raummiete
Hast du eine teure Raummiete für dein eigenes Büro? Oder bist du Mitglied in einem Coworking-Space und zahlst dort einen Betrag? Oder hast du ein häusliches Arbeitszimmer? Diese Kosten sind deine erste Betriebsausgabe.
Für dieses Beispiel würde ich mal den Coworking-Space mit einem Mitgliedsbeitrag von 110 Euro im Monat (1.320 Euro im Jahr) ansetzen.
Mobilität
Für das eigene Fahrzeug, das für die Fahrt ins Büro (bzw. den Coworking-Space) oder für entsprechende Fahrkarten für den öffentlichen Personennahverkehr fallen beispielsweise 70 Euro im Monat, also 840 Euro im Jahr an.
Geschäftshandy
Dann hast du sicherlich auch ein Geschäftstelefon. Ich persönlich bezahle für meinen Tarif 7,99 Euro im Monat. Das sind 95,88 Euro im Jahr.
Marketing
Dann gibt es noch Marketing-Kosten. Hierzu würde ich auch den Server für deine Website, die Domain und direkte Werbekosten zählen. Vielleicht gehört hierzu auch die Lizensierung von Stockmaterial zu, das du für Werbeanzeigen und Social-Media-Marketing verwendest. Sagen wir, du gibst hierfür 1.500 Euro im Jahr aus.
Mitarbeiter
Falls du Angestellte, Freelancer oder eine Assistenz hast, sind natürlich auch diese Kosten Betriebsausgaben. Da aber die wenigsten Selbstständigen, die ihr Business starten und ihr Stundenhonorar berechnen, gleich mit Mitarbeitern arbeiten, lasse ich diesen Punkt hier weg.
Versicherungen
Was wir aber nicht weglassen sollten, sind Versicherungen. Insbesondere die Betriebshaftpflichtversicherung ist enorm wichtig, vor allem, wenn du Korrektorate, Buchsatz oder Beratungen sowie Coaching anbietest. Hierfür kannst du mit Kosten von um die 400 Euro im Jahr rechnen. Eine Rechtsschutzversicherung könnte auch ratsam sein, ich kalkuliere sie aber nicht mit ein.
Beratung & Buchhaltung
Dann gibt es vielleicht noch Beratungskosten. Hast du einen Steuerberater? Einen Finanzberater? Business-Coach? Rechtsanwalt? Schlage die Kosten drauf, falls sie anfallen.
Auch die Buchhaltungskosten sind selbstverständlich Betriebsausgaben. Für Lexoffice kannst du in den ersten 3 Monaten 50 % Rabatt bekommen, wenn du dich über meinen Link dort anmeldest.
Lizenzen (Software)
Hinzu kommt nun noch Software. In meinem Fall sind die Software-Kosten nicht zu unterschätzen. 700 Euro für die Adobe Creative Cloud, 30 Euro für Rescue Time. 100 Euro für Microsoft 365, 500 Euro für WordPress-Plug-Ins, 200 Euro für Trello … Du hast vielleicht auch Kosten für Papyrus Autor oder Scrivener, für Toggl, für Notion, für Asana, Zoom, Slack, Discord, Skype, Zencastr – da gibt’s eine Menge. Sagen wir, du kommst mit 1000 Euro im Jahr hin.
Betriebsausgaben kumulieren
Die Gesamtkosten der Betriebsausgaben belaufen sich in unserem fiktiven Rechenbeispiel nun auf 5.318 Euro.
Raummiete / Coworking 1320
Mobilität / Geschäftswege 840
Telefon 96
Marketing 1500
Betriebshaftpflicht 400
Buchhaltung 162
Software-Lizenzen 1000
Gesamt: 5.318
Stundenhonorar berechnen
Du benötigst im Jahr also 31.218 Euro für dein eigenes Gehalt und 5.318 Euro, damit dein Geschäft überlebt. Zusammen sind das 36.536 Euro Umsatz, die du im Jahr erzielen musst.
Diese Zahl kannst du nun bequem durch deine ermittelten Arbeitstage pro Jahr dividieren. Auf 233 Arbeitstage im Jahr gerechnet sind das 156,81 €, die du pro Arbeitstag verdienen musst.
Wenn du pro Arbeitstag 8 Stunden arbeitest, ist nun die Frage: Wie gut wirst du ausgelastet sein?
Ganz pauschal kann man hier von 50 % reden. Gerade Anfänger*innen, die mit ihrer Selbstständigkeit frisch auf den Markt gehen, sollten sich vier abrechenbare Stunden pro Tag zum Ziel setzen. Hier ist aber auch die Branche ausschlaggebend. Programmierer*innen haben es nicht schwer, sehr schnell sehr ausgelastet zu sein, zumal einzelne Projekte oft nicht einfach innerhalb von wenigen Tagen abgeschlossen sind. Ein Nachhilfe- oder Instrumentallehrer, der pro Kunde zwar nur eine Stunde, aber dann auch sofort eine Stunde konstant pro Woche über mehrere Monate oder Jahre verteilt abrechnen kann, hat vermutlich mehr Herausforderung damit, Kund*innen zu finden, aber auf Anhieb wiederkehrende und regelmäßig zahlende Stammkunden. Hier musst du also ein bisschen rumprobieren.
Rechnen wir hier also mit den 50 % Auslastung: Von 8 Arbeitsstunden kannst du 4 abrechnen. Die anderen 4 verwendest du mit Verwaltung, Buchhaltung, Werbung, Termine, Vertrieb, Planung und Fortbildung.
Nun dividierst du deinen ermittelten Tagessatz in Höhe von 156,81 € durch die vier Stunden, die du am Tag abrechnen kannst. Es ergibt sich ein Betrag von 39,20 Euro.
Auf dieses Ergebnis solltest du nun noch deine Gewinnmarge draufrechnen. Was soll dein Unternehmen für einen Gewinn erzielen? Ein guter Richtwert sind hier 10 %, die auf deinem Geschäftskonto verbleiben.
Es ergibt sich ein Stundenhonorar von 43,13 Euro.
Ich hoffe, dieser Artikel hat dir geholfen zu verstehen, wie selbstständige Dienstleister*innen auf ihre Stundenhonorare kommen. Probier es gerne selbst einmal aus und rechne die Zahlen selbst für dich durch.
Alles Liebe,
Kia
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