Wie ich mich am Mikromanagement aufhängte

von | 23.02.2018 | 0 Kommentare

Ich glaube, ich betreibe Mikromanagement. So ganz sicher bin ich mir nicht, denn das Wort umfasst eigentlich ein Verhalten, das Führungskräfte an den Tag legen und so das Arbeitsleben ihrer Mitarbeiter zur Hölle machen. Was Mikromanagement ist, warum es negative Folgen hat und warum ich glaube, unter den Auswirkungen meines Selbstführungsverhaltens zu leiden, möchte ich in diesem Artikel beleuchten.

Was ist Mikromanagement?

Beim Mikromanagement will man alles unter Kontrolle haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass es vielen Autorinnen und Autoren so geht, die diesen Artikel lesen: Alles muss bis ins Kleinste Detail organisiert und geplant sein, exakte Vorgaben sind wichtig und als angehende erfolgreiche Selbstständige will ich mir ein paar Templates und Vorlagen basteln, um bestimmte Arbeitsabläufe zu optimieren und zu regulieren.

Schon komisch, oder? Ich bin unter anderem selbstständig, weil ich es nicht ertragen kann, von einem Chef, der nur an maximalem Profit interessiert ist, herumkommandiert zu werden. Und weil ich es nicht ab kann, gegen meine Gesundheit oder meinen Biorhythmus arbeiten.

Was mache ich also? Ich mache mich selbstständig und werde zu meinem eigenen Chef. Ich zwinge mich zu Arbeit, um Kunden gerecht zu werden und vernachlässige dabei Gesundheit und Biorhythmus. Und durch die vielen kleinen Optimierungsvorgänge versuche ich natürlich, den Profit zu maximieren (oder eher: zu erzeugen).

Wie ich dabei auf den Begriff des Mikromanagements gekommen bin, möchte ich gerne hier erläutern, bevor ich mein Verhalten genauer unter die Lupe nehme.

Zum Mikromanagement gehören generell folgende Tätigkeiten:

  • Delegationsträgheit
  • Häufige Nachfragen bei delegierten Aufgaben
  • Planen, Verwalten, Ordnen, Organisieren und Absprechen als Hauptbeschäftigung
  • Detailreiche Planungen, Vorgaben, die keine Freiheiten zulassen
  • Entscheidungen überwiegend allein treffen
  • Ungeduld
  • Unbefriedigender Perfektionismus
  • Ständiges Hinterfragen und In-Frage-Stellen
  • Verantwortungsübernahme und ein An-sich-Reißen von Verantwortung
  • Man will Experte auf seinem Gebiet sein
  • Permanente Unzufriedenheit

 

An dieser Stelle fällt mir ein Zitat ein, das ich selbst unzählige Male von mir gegeben habe:

Wenn du dich darauf verlassen willst, dass etwas [gut] gemacht wird, musst du es selbst tun.

 

Wie äußert sich mein Mikromanagement?

Recherchiert man im Internet nach dem Begriff, so kommen einem ausschließlich Artikel in die Fänge, die sich mit Mikromanagement von Führungskräften befassen. Es geht dabei meist um den bösen Chef, der durch Mikromanagement seine Mitarbeiter belastet.

Als Selbstständige ist das Mikromanagement zu 85 % gegen mich selbst gerichtet. Und das ist Gift für eine gesunde Chef-Mitarbeiter-Beziehung: Also ist es Gift für mich selbst und meinen Umgang mit mir.

Mit meiner Novelle „Die Krankheitensammlerin“, die mein Debüt ist und im Selfpublishing erschienen ist, ist einiges schiefgelaufen.

Noch heute finde ich grammatische Fehler, die durch ein besseres oder zweites, zusätzliches Lektorat hätten ausgemerzt werden können. Auch das Cover habe ich im Alleingang gestaltet und meinen Grafiker nur die Teetasse gestalten lassen. Alles andere habe ich selbst erstellt, und das ist nicht wirklich verkaufsfördernd, da ich zu der Zeit noch keine Ahnung von Coverdesign hatte.

Es ist also einiges schiefgelaufen, und das Meiste daran liegt an mir. Ich dachte, ich könnte alles alleine schaffen und bräuchte keine Hilfe. Als ungebildete blutjunge Anfängerin (ich hatte noch nicht einmal Twitter!) hatte ich ebenfalls enorm große Angst, Geld zu investieren.

Heute sieht das anders aus. Ich lasse die anderen machen und gebe Aufträge ab. Delegieren fällt mir nicht schwer, wenn es sich bei den Auftragnehmern um Personen handelt, die bereits Referenzen haben. Die ich kenne. Die ich bezahle.

Sobald jemand aber etwas als Gefälligkeit für mich macht, gehe ich davon aus, dass eine Frist nicht eingereicht wird. Statt fünf Testlesern habe ich für meine jüngste Kurzgeschichte „meine Wahrheit“ gleich 30 gehabt. Davon haben sich nur 14 zurückgemeldet. 16 sind nach Zusendung meiner Kurzgeschichte quasi zu Karteileichen mutiert.

Und auch auf der Leipziger Buchmesse, auf der ich einen eigenen Stand hatte und von damaligen Vereinsmitgliedern beim Stand-Dienst unterstützt wurde, fiel es mir extrem schwer, jemanden mit dem Stand alleine zu lassen. Es könnte immer etwas passieren: Und wenn ein Autor, der gerade für mich Stand-Dienst macht, auf Toilette muss und genau in dem Moment etwas gestohlen wird – dann ist das alles meine Schuld. Meine Verantwortung. Ein Vertragsbruch gegenüber der Leipziger Messe AG.

So viel Stress hält doch kein Mensch aus! Anstatt sich über Hilfe zu freuen, sie anzunehmen und Menschen zu vertrauen und anstatt Aufträge an jemanden abzugeben, der damit seinen Lebensunterhalt verdient, habe ich mich viel zu lange Zeit immer selbst belastet, zur Verantwortung gezogen und aus lauter Rechnen mit dem worst-case-Szenario den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen.

 

Mikromanagement vs. Logik

Natürlich habe ich eine Vielzahl schlechter Erfahrungen gemacht, und ich kenne einen Haufen unfassbar fauler, unzuverlässiger Leute. Aber das liegt nicht an mir. Faule, unzuverlässige Leute kennt jeder zu Genüge, die gibt es in jeder Branche, in jedem Freundeskreis, in jeder Region.

Also sollten wir uns entspannen. Und damit spreche ich vor allem zu mir selbst: Ich sollte mich entspannen.

Ich möchte die Dinge auf mich zukommen lassen und das mit dem Mikromanagement sein lassen. Eine Coverdesignerin wird schon keinen Schrott veranstalten, wenn wir uns im Vorfeld über meine Vorstellungen und ihre Empfehlungen unterhalten haben.

Eine Lektorin, die von der Lektorentätigkeit leben kann, hat viele Aufträge. Würde ich ausschließlich durch meine Lektorentätigkeit leben, müsste ich dazu im Monat deutlich mehr als 300 Normseiten lektorieren. Das bedeutet, dass die Lektorin für andere Autoren oder Verlage arbeitet, die sie bezahlt haben. Und das wiederum bedeutet, dass die Lektorin nicht total schlecht sein kann, denn immerhin wird ihre Leistung immer wieder angefragt. Also kann ich mich auch darauf verlassen, dass sie weiß, was sie tut.

Es ist so logisch. Liegt klar auf der Hand. Schwarze Schafe gibt es überall. Aber wenn man wirklich beginnt, Aufgaben zu delegieren, bleibt viel mehr Zeit für das wirklich Wichtige: das Schreiben.

Aber dann sind da noch die operativen Aufgaben, mit denen ich mir mein eigenes Arbeitsleben schwer mache. Sie halten mich natürlich ebenfalls vom Schreiben ab.

 

Das enge Korsett des Mikromanagements beim Schreiben führt zu Überforderung

Ich versuchte, zu maßregeln, wie viele Wörter ich am Tag schrieb. Natürlich ist Qualität viel wichtiger als Quantität, aber als Berufsautorin ist es wichtig, regelmäßig etwas gebacken zu kriegen.

Dabei wollte ich regelmäßig schreiben, um es zu einer Gewohnheit zu machen.
Ich wollte viel schreiben, damit ich vorankomme und meine Projekte zeitig beende.
Gleichzeitig wollte ich aber auch wenig schreiben, damit ich mir nicht zu viel vornehme oder irgendwann wieder mit Burn-Out ende.

Merkst’e was? Ich managte mich. Ich managte das Schreiben und plante es voraus. Dabei legte ich fest, dass ich nicht zu selten schreibe, indem ich es mir täglich vornahm. Na ja, nicht ganz täglich, ein bisschen Pause muss auch sein. Aber mindestens 1.000 Worte am Tag. Besser für das Vorankommen wären aber 1.500 Worte. Das ist aber etwas hochgegriffen, also nehme ich 1.200, aber bitte in höchster Qualität und jeden Tag, und wenn ich an einem Tag dann mehr schreibe oder ein Arzttermin dazwischenkommt – dann ist aber Katastrophenalarm angesagt!

Denn so, wie ich das Schreiben reguliert habe, habe ich auch das Texten, meine Arbeit im Gründungsunternehmen und sämtliche Blogprojekte kontrolliert.

Ich vermieste mir den Spaß bei der Arbeit selbst durch Planungen. Und ich schreibe das so offen und ehrlich, weil ich mir vorstellen kann, dass der ein oder andere Selfpublisher, Selbstständige oder nebenberufliche Autor diese Zeilen liest und sich darin wiedererkennt.

 

Anti-Mikromanagement-Methode für das Schreiben

Lasst uns aufhören mit Mikromanagement. Das ist keine Art der Selbstführung. Im Gegenteil: Es ist Schwachsinn. Arbeitet mit Methoden, die euch guttun, aber Freiheiten lassen.

Seit dem 1. Januar 2018 benutze ich einen Kalender, der wöchentliche To-Do-Listen auf der linken Seite und die sieben Wochentage auf der rechten Seite hat. Ich nehme mir nicht mehr vor, jeden Tag irgendwas zu erledigen, sondern belasse es bei den Aufgaben auf der linken Seite. Das tut mir unglaublich gut, und ich habe beispielsweise meine Novelle „Hanover’s blind“ in Rekordzeit geschrieben. Das liegt unter anderem daran, dass ich mir lediglich Wochenziele gesetzt habe. Ich wusste an jedem Arbeitstag, dass ich etwas von meiner To-Do-Liste erledigen musste, weil die gesamte Liste bis zum Ende der Woche abgehakt sein muss. Aber je nach Stimmung, Terminlage, Arbeitsvolumen und Gesundheitszustand bestimme ich jeden Tag vollkommen frei, woran ich arbeite.

So kam es vor, dass ich beim To-Do-Listenpunkt „8.000 Wörter für Hanover’s blind schreiben“ am ersten Tag über 4.000 Worte geschrieben habe. Die Textqualität dieses einen exzessiven Schreibtags übertrifft das, was ich an vier 1.000-Wort-Tagen unter Zwang geschafft hätte, um Längen.

 

Wie sieht’s bei dir aus? Betreibst du Mikromanagement? Überforderst du dich durch zu penible und genau datierte To-Do-Listenpunkte? Schreib mir doch bitte einen Kommentar, denn deine Meinung interessiert mich sehr. Ich würde gerne wissen, ob Autoren dieses Problem häufiger haben, oder ob ich da in eine Falle getappt bin, die euch anderen eigentlich total fremd ist. Ich freue mich auch über jede Form von Lob, Anregungen und Kritik.

Alles Liebe,

Kia



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