Autorenklischees

von | 14.03.2023 | 3 Kommentare

Autoren und Autorinnen haften zahlreiche Klischees an. Am bekanntesten ist vermutlich das Bild des Autoren oder der Autorin mit dem leeren Blatt Papier vor sich und einem Glas mit alkoholischem Getränk in der Hand. Über die Zeit hat sich das Glas zu einer Zigarette oder einer Tasse Kaffee gewandelt. Im Kern ist das Klischee aber immer gleich geblieben: Autor*innen frönen dem Genuss und haben ständig Schreibblockaden oder Prokrastinieren, anstatt zu schreiben, weshalb das Blatt vor ihnen leer bleibt.

Und im Grunde ist das gar nicht so weit weg von der Realität. Gut, die Zeiten, in denen Autor*innen nur mit einem Drink intus oder im Drogenrausch schreiben konnten, sind lange vorbei. Aber das Klischee kommt nicht von ungefähr. Im 19. Jahrhundert war der Drogenrausch nicht mehr nur eine religiöse oder medizinische Angelegenheit. Stattdessen ergründeten die Menschen die tieferen Teile der eigenen Psyche und das Unbewusste mit Drogen. So auch Autoren, die dadurch Wege aus der Realität heraus fanden, die sie in ihre Geschichten einbauten.

Heute sieht das ein wenig anders aus. Der Drogenrausch ist für die meisten Autor*innen nicht mehr interessant. Die Kreativität kommt aus anderen Richtungen und basiert auf unterschiedlichen Erfahrungen. Kaffee ist aber weiterhin sehr beliebt.

Die meisten Klischees basieren also auf einer gewissen Wahrheit, die nicht von der Hand zu weisen ist.  Trotzdem bleiben sie Klischees, die die Vielfalt und Komplexität der Erfahrungen von Autoren und Autorinnen stark reduzieren.

Deshalb wollen wir in diesem Artikel mit ein paar dieser Klischees aufräumen.

Autoren und Autorinnen sind Einzelgänger*innen

Das Klischee, dass Autor*innen Einzelgänger sind, kommt vermutlich daher, dass sie eben meistens alleine ihre Bücher schreiben. Also, zumindest die Geschichte an sich. Dazu kommen natürlich noch die Dienstleistungen wie Lektorat, Buchsatz und Coverdesign, die nicht zwingend auch von den Schreibenden selbst erstellt werden.

Und tatsächlich gibt es einige introvertierte Autor*innen, die nicht viel Kontakt mit Menschen haben oder haben wollen. Trotzdem sind sie aber keine absoluten Einzelgänger in all ihren Lebensbereichen. Sie haben Freunde, besuchen Veranstaltungen und gliedern sich in die Gesellschaft ein wie alle anderen auch.

Tatsächlich ist es sogar so, dass Autor*innen möglichst viel unter Menschen sein sollten. Dort können sie nämlich ihre Beobachtungsgabe und Fähigkeiten zur Analyse zwischenmenschlicher Beziehungen direkt nutzen, um daraus ihre Charaktere und Welten zu entwickeln.

Allerdings gibt es natürlich auch hier eine Grundlage, durch die dieses Klischee entstanden ist. Das sind einige berühmte Autor*innen aus der Vergangenheit, die tatsächlich als Einzelgänger galten. Unter anderem sind das J.R.R. Tolkien, der Autor von „The Lord of the Rings (Der Herr der Ringe)“ und Harper Lee, die Autorin von „To Kill a Mockingbird (Wer die Nachtigall stört)“. Beide lebten ziemlich zurückgezogen vom öffentlichen Leben. J.D. Salinger, Autor von „The Catcher in the Rye (Der Fänger im Roggen)“ galt sogar als absoluter Einzelgänger, der sehr zurückgezogen lebte und kaum andere Menschen in sein Leben ließ.

Autor*innen sind unterbeschäftigt und haben jede Menge Freizeit

Die Basis für dieses Klischee liefern vermutlich Autoren wie Leo Tolstoi, der zwar Wälzer wie „War and Peace (Krieg und Frieden)“ schrieb, aber ansonsten auf seinem Landgut seine Zeit mit Arbeit verbrachte und seiner Glaubensüberzeugung folgte. Oder Ernest Hemingway, der als einer der besten Autoren aller Zeiten gilt und Klassiker wie „The Old Man and the Sea (Der alte Mann und das Meer)“ schrieb, ansonsten aber sehr viel Zeit in der freien Natur verbrachte, reiste und angelte.

Trotzdem haben diese Autoren hart daran gearbeitet, dass ihre Werke die Klassiker wurden, als die sie heute gelten. Mal ehrlich: „Krieg und Frieden“ hat über 1.500 Seiten. Wer glaubt, dass man die mal so neben seiner Freizeit schreibt, irrt sich gewaltig.

Was vor allem häufig vergessen wird: Das Schreiben bedeutet nicht nur schreiben. Recherche bildet einen sehr großen Teil und war zu Zeiten von Tolstoi und Hemingway vermutlich schwieriger als heute, wo zumindest jede Person irgendwie über das Internet erreichbar ist und man an Informationen zu jedem Thema kommen kann.

Nach dem Schreiben steht vor allem das Überarbeiten an und das kann ein sehr zäher Prozess sein. Und dann kommt auch noch die Vermarktung obendrauf, damit auch jemand das Buch kauft.

Klingt nicht so, als ob da noch viel Freizeit bleibt. Die meisten Autor*innen haben zwar keinen klassischen 9-to-5-Job, aber das Schreiben erfordert dennoch harte Arbeit, Disziplin, Zeitmanagement und Durchhaltevermögen. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, der nur mit Hingabe und Aufwand zu bewerkstelligen ist.

Das Schreiben ist Arbeit und raubt Zeit und Energie, wie jeder Job.

Und sowieso: Wenn man nicht zufällig einen Bestseller schreibt, kann man sich nicht auf dem Ergebnis ausruhen oder davon leben. Autor*innen, die nicht schreiben, erfüllen dann immerhin das Klischee des geldlosen Künstlers, denn Geld verdienen sie mit ihren Büchern nicht wirklich. Trotzdem opfern sie ihre Freizeit dafür.

Autor*innen schreiben nur dann, wenn die Inspiration es zulässt

Inspiration ist ein wichtiger Faktor beim Schreiben. Sie entfacht die Kreativität und kann die Worte einfach so fließen lassen. Professionelle Autor*innen können es sich aber nicht erlauben, immer auf Inspiration zu warten, bis sie was zu Papier bringen. Sie müssen schreiben. Immer.

Sie arbeiten diszipliniert jeden Tag an ihrem Werk. Ob sie sich inspiriert fühlen oder nicht, ist dabei unerheblich. Nur durch regelmäßiges Schreiben und viel Übung können sie ihre Schreibfähigkeiten und Inspiration verbessern.

Der bereits erwähnte Ernest Hemingway sagte einmal: „Die Schreibmaschine kann nicht arbeiten, wenn man nicht arbeitet.“

Stephen King, Autor von „The Shining“, „Carrie“ und unzähligen anderen Bestsellern, hat gesagt: „Schreiben ist nicht darauf zu warten, dass man inspiriert wird – es ist darauf zu warten, dass die Inspiration kommt, während man schreibt.“

King bestätigt also im Grunde, dass man die Inspiration durch Übung findet, indem man so viel wie möglich schreibt.

Maya Angelou, Autorin von „I Know Why the Caged Bird Sings (Ich weiß, warum der gefangene Vogel singt)“ hat die Disziplin täglich zu schreiben mal auf diese Weise zusammengefasst: „Es gibt keine Muse. Sie haben jeden Tag aufzustehen und sich hinzusetzen und Ihre Arbeit zu tun. Das ist alles, was Muse ist.“

Truman Capote, Autor von „Breakfast at Tiffany’s (Frühstück bei Tiffanys)“ hat Inspiration auf diese Weise hervorgehoben: „Ein Schriftsteller ist eine Person, die, wenn er inspiriert ist, schreiben kann. Ein Schriftsteller ist auch eine Person, die, wenn er nicht inspiriert ist, trotzdem schreiben kann.“

All diese Zitate zeigen, dass die größten Autoren und Autorinnen sich immer der Tatsache bewusst sind und waren, dass Inspiration zwar ein wichtiger Faktor beim Schreiben ist, aber man nicht auf diese warten kann.

Die Disziplin, täglich zu schreiben, egal wie groß die Inspiration ist, ist ein wesentlich wichtigerer Faktor, der letztlich auch zu Inspiration führen wird.

Autor*innen sind ständig auf der Suche nach neuen Ideen und Themen

Machen wir mit noch einem Zitat weiter. George R.R. Martin, Autor der Fantasy-Reihe „A Song of Ice and Fire (Das Lied von Eis und Feuer)“ auf der die TV-Serie „Game of Thrones“ basierte, tätigte einmal diese berühmte Aussage: „Ich habe so viele Geschichten in meinem Kopf, dass ich manchmal das Gefühl habe, ich werde sie niemals alle erzählen können.“

Neil Gaiman, Autor von „American Gods“ geht es ähnlich: „Ich habe eine ganze Schublade voller ungeschriebener Bücher.“

An Ideen mangelt es in der Regel also nicht. Viel eher haben die meisten Autor*innen zu wenig Zeit, um alle Ideen auf Papier zu verewigen.

Allerdings gibt es natürlich auch gewisse Voraussetzungen, damit die Ideen stetig fließen. Autor*innen recherchieren viel, interessieren sich meistens für viele Dinge und beobachten ihre Umwelt und die Gesellschaft, um neue Ideen zu entwickeln oder bereits bestehende zu verfeinern.

Inspiration kommt natürlich auch aus den Werken anderer Autor*innen. Neben dem Schreiben ist deshalb auch das Lesen ein wichtiger Aspekt für Autor*innen.

Das Schreiben besteht also aus mehreren Teilen und ist eine komplexe Angelegenheit. Recherche, Übung, Inspiration und Disziplin sind unersetzlich, um ans Ziel zu kommen.

Die Klischees haben zwar immer eine gewisse Grundlage, die in der Realität verhaftet ist, aber am Ende bleiben sie trotzdem Verallgemeinerungen, die nicht auf jede*n zutreffen. Es gibt Autor*innen, die Einzelgänger sind, aber auch gesellige Schreiber*innen. Manche Schreibende haben mehr Freizeit als andere. Manche trinken viel Kaffee, andere bevorzugen Wasser.

Es kommt auf Erfahrungen an und was für wen am besten funktioniert. Und da findet sich vielleicht das eine Klischee, das wirklich wahr ist: Jeder Autor und jede Autorin kann am besten schreiben, wenn er oder sie sich das Umfeld nach den eigenen Vorstellungen gestaltet. Darauf heben wir unsere Kaffeetassen und schreiben noch ein wenig weiter.

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3 Kommentare

  1. Andreas Unkelbach

    Das allgemeine Bild wie Worte gefunden und dann verarbeitet werden ist sowohl durch Filme als auch romantische Vorstellungen (um einmal nicht Klischee zu verwenden) geprägt und ganz allgemein wird auch oft ein Bild von Textschaffende (eigentlich auch in anderen Bereichen) gebaut, dass einfach fern ab von der Realität ist.

    Ich stimme dir zu, dass ein kleiner Teil Wahrheit auch in einzelnen Klischees hinterlegt sein mag (mein Konsum von Kaffee je Kapitel mag ich lieber nicht erfassen) aber auf der anderen Seite ist es auch wichtig, dass die Arbeit hinter den Worten gesehen wird und hier dann eben doch diese Vorstellungen massiv widerlegen.

    Als kleinen Gegenpol zum Thema Schreiben ist ja keine Arbeit und eigentlich bezahlte Freizeit mag ich immer wieder gerne auf https://www.petra-schier.de/2023/02/09/hauptberufliche-autorin-eine-berufsbeschreibung/ verweisen…

    Von daher gehe ich nun auch einmal wieder die Tasse Kaffee heben und hoffe, dass irgendwann auch der Weg zum Buch als Ergebnis von vielen Stunden Arbeit (und Kaffee ;-)) anerkannt wird.

    Viele Grüße
    Andreas Unkelbach

    Antworten
    • Kia Kahawa

      Hallo Andreas, danke für deinen Kommentar. Ja, die Popkultur (um es mal allgemein zu erfassen) hat natürlich immer einen Einfluss auf das Bild, das nach außen getragen wird. Das ist ja bei weitem nicht nur bei Berufen oder Berufungen der Fall. Man sieht das ja bspw. auch in der Darstellung anderer Kulturen. Deutschland ist zum Beispiel in der Popkultur anderer Länder in erster Linie Lederhosen tragen und Bier trinken. Aber da liegt wohl auch ein wenig die Wurzel des Übels: Ein eingeprägtes Bild wird man nur schwer wieder los. Trotzdem hat auch dieses eingeprägte Bild ja einen Ursprung in der Realität. Das Oktoberfest ist halt weltweit bekannt und dadurch hat das dann diesen gewissen Einfluss auf das Bild.
      Um da den Bogen zurück zum Schreiben zu spannen: In Filmen sind Autor*innen ja meistens die Eigenbrödler, die mit nem Schnapsglas neben sich an der Schreibmaschine tippen oder ansonsten gefühlt nie arbeiten. Da wird eben alles auf das Minimalste heruntergebrochen. Recherche, Überarbeitung, der Struggle der Verlagssuche usw. werden da ja in der Regel nicht erwähnt. Da könnte man auch ein weiteres Klischee anfügen: Autor*innen müssen nur ein Buch schreiben und sind dann direkt erfolgreich. Auch ein Bild, das uns Filme oft vermitteln.
      Nur den Kaffee lassen sie komischerweise meistens weg …

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      • Andreas Unkelbach

        Guten Morgen Kia,

        die Wahrnehmung von außen ist halt einfach pendelnd zwischen “Schreiben kann doch jede Person” und “Ich muss nur einen Bestseller schreiben und mein Leben ist auch so schillernd wie das von Richard Castle” ;-).

        In meinen Augen ist eine weitere Ursache, neben der Darstellung in der Popkultur, leider auch eine fehlende Transparenz was Verträge und Einnahmen als Autor*in anbelangt. Bei einer Diskussion auf Twitter wurde bspw. 90 Euro Vergütung für einen Text mit 2 Tagen Recherche kritisiert und gleichzeitig finden sich unter solchen Diskussionen auch viele Selbstständige, die ebenfalls überlegen müssen, ob sie eine solche Arbeit mehrfach nutzen können und wie diese dann monetarisiert werden kann.

        An dieser Stelle ein aufrichtiges Danke an dich für deine Reihe (und Publikation) “Autoren an die Steuer” wodurch zumindest der Blick in Richtung Steuern und Finanzen etwas stärker in den Vordergrund gerückt wird.

        Gerade in der Autorenbubble ist es, meiner Meinung nach, daher auch so wichtig, eben hinter den Erfolgen das Autorenleben zu sehen und hier auch Einblicke in den konsumierten Kaffee, die erhaltene Unterstützung und eben auch die Arbeit hinter der Aneinanderreihung von Buchstaben zu sehen.

        Mich hatte vor einiger Zeit auch einmal eine Person angesprochen, ob sich der Aufwand für ein Fachbuch eigentlich lohnt, da hier ja viele Stunden zum Schreiben anfallen, diese aber nicht auf ein Kundenprojekt fakturiert werden kann. Möglicherweise wäre dies ja auch einmal ein guter Blogartikel… oder Frustration in Richtung Stundenlohn fürs Schreiben…..

        Wie auch immer, lass dir noch Kaffee schmecken und eine erfolgreiche Woche.

        Antworten

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